Überblick
Der Huang He (Gelber Fluss) ist mit rund 4850 Kilometern der zweitlängste Strom Chinas. Wegen der häufigen Verlegungen seines Laufs in der Vergangenheit hat er auch den Beinamen „Kummer Chinas“ erhalten.
Wasserführung und Schwebfracht
Im Oberlauf hat der Huang He den Charakter eines tief eingeschnittenen Gebirgsflusses mit zahlreichen Stromengen und Stromschnellen. Unterhalb von Lanzhou kann seine Breite schon mehr als einen Kilometer erreichen; enge und flache Talabschnitte wechseln einander ab. Etwa 150 Kilometer westlich der Stadt Zhengzhou tritt der Gelbe Fluss in die Große Ebene ein und verbreitert erneut sein Bett. Infolge der abnehmenden Strömungsgeschwindigkeit setzt sich die immense Schwebfracht ab und erhöht das Flussbett zwischen den Deichen.
Wie aus dem Abflussdiagramm im Atlas zu entnehmen ist, beträgt die Schwebfracht während der Hochwasserperiode rund 25 Mio. Tonnen pro Tag. Diese gewaltigen Mengen an Spül- und Schwemmstoffen werden dem Fluss durch Erosions- und Abtragungsvorgänge in den Lössgebieten zugeführt, die er in seinem Mittellauf durchquert. Nur ein Drittel der verfrachteten Schwebmassen gelangt ins Meer.
Abfluss und Schwebstoffführung haben – bedingt durch den außertropischen Monsun in Ostasien – ihr Maximum im Sommer.
Da die Entnahme von Wasser für Bewässerungszwecke sowie für den Bedarf von Industrie und Bevölkerung stark gestiegen ist, gibt es inzwischen Flüsse in der Großen Ebene, die zeitweise nicht mehr ihre Mündung am Golf von Bohai erreichen (s. gestrichelte Linie in der Karte).
Dammbauten / Hochwasserschutz am Unterlauf
Über Jahrtausende hinweg versuchte die Bevölkerung am Unterlauf, sich durch Dammbauten zu schützen. Jedoch setzten sich zwischen den Deichen gewaltige Schlammmassen ab, sodass sich das Flussbett ständig gegenüber der Umgebung erhöhte. In den letzten Jahrzehnten wurden Erhöhungen des Hauptbettes von jährlich 10 bis 20 Zentimetern gemessen. An einigen Stellen liegt die Sohle des Flussbettes fast zehn Meter über der Tiefebene beiderseits der Uferdämme. Der Fluss kann deshalb keine Nebenflüsse aufnehmen, die Deiche fungieren im Gegenteil als Wasserscheide für eigentlich tributäre Nebenflüsse. Auch das gesamte Entwässerungssystem kann nicht auf den Hauptfluss Huang He als Vorfluter ausgerichtet werden.
Besonders bedrohlich waren über Jahrtausende die Überschwemmungen des Huang He. Soweit Aufzeichnungen vorliegen, wurden vor 1949 insgesamt 1593 Überschwemmungen registriert, 26-mal verlegte der Fluss seinen Lauf.
Seit der Gründung der Volksrepublik China 1949 sind gewaltige Anstrengungen unternommen worden, die Hochwassergefahr des Huang He zu mindern. Insbesondere ab 1955 wurden vielseitige Regulierungsmaßnahmen umgesetzt, in der Anfangsphase unter Einsatz hunderttausender Arbeiter, die mit einfachstem Gerät hunderte Kilometer Deiche bauten; außerdem wurden zahlreiche Flut- und Rückhaltebecken angelegt. Sie sollen einen möglichst ausgeglichenen Abflussgang des Huang He bewirken, indem sie während der Abflussspitzen Wasser aufnehmen. In den Becken setzen sich Sedimente ab, die wiederum auf die Felder gebracht oder zur Verstärkung der Deichbauten verwendet werden. Die zahlreichen großen Stauseen und -dämme sollen ebenfalls den Abfluss des Huang He ausgleichen, darüber hinaus dienen sie der Stromerzeugung in Wasserkraftwerken.
Das Lössplateau
Löss („gelbe Erde“, huang tu) ist ein äolisches Sediment, das aus den Wüsten Innerasiens zur Zeit des Wintermonsuns ausgeweht und im Lössplateau in großer Mächtigkeit abgelagert wurde. Diese Prozesse halten bis heute an. Rund 90 Prozent der Schwebfracht, die der Huang He transportiert, stammen aus dem Lössplateau.
Das Gebiet mit den größten Lössmächtigkeiten ist das sogenannte Lössplateau am Mittellauf des Huang He. Ein sehr dichtes Netz aus 300 000 schluchtartigen, sehr kurzen Tälern mit sehr steilen Wänden durchzieht das Lössplateau („Gullys“). Dies erweist sich als Nachteil für die Landwirtschaft. Allerdings steht dem auch ein Vorteil gegenüber: Die Standfestigkeit der Lössschichten erlaubt die Anlage von Terrassen für Felder selbst an steilen Hängen. Im Lössplateau konnte deshalb die chinesische Zivilisation mit Ackerbau und Höhlenwohnungen entstehen.
Im Bereich des Lössplateaus ist der Löss in erster Linie ein Produkt der Windablagerung (primäre bzw. äolische Lösse). Daneben sind aber auch umgelagerte und verschwemmte Lösse zu beobachten. Die Erosion im Lösshügelland und in Nordchina zu verringern, ist ein wichtiges Ziel, zu dessen Erreichung China ehrgeizige und aufwendige Programme ins Leben gerufen hat. Zum einen soll damit das Vordringen der Wüste von Nordwesten nach Südosten verhindert oder wenigstens gebremst werden (s. Schutzpflanzungen), denn dies wäre verbunden mit schwerwiegenden Verlusten an Weide- und Ackerland. Zum anderen ist eine Verminderung der Erosion auch eine Maßnahme, um die Schwebfracht des Huang He entscheidend zu reduzieren. Deshalb haben Erosionsschutzmaßnahmen wie Terrassierungen, Aufforstungen und der Bau von Rückhaltebecken im Lössplateau einen hohen Stellenwert.
Die Winderosion zu reduzieren, würde auch die Belastung von Großstädten wie Peking durch Staubstürme reduzieren. Dabei ist nicht der Staub selbst ein Problem, wenn er zum Beispiel den Flugverkehr behindert, technische Anlagen verunreinigt und die Atmung der Menschen erschwert. Kleine Staubpartikel wirken in der Luft als Kondensationskerne und führen zu verstärktem Smog, insbesondere bei austauscharmen Wetterlagen.
Wassertransferprojekte
Mit dem Süd-Nord-Wassertransferprojekt wird seit 2015 Wasser aus dem Jangtsekiang im Süden über einen 1400 Kilometer langen Fernwasserkanal nach Norden geleitet. In der Karte dargestellt sind drei Trassen:
• im Westen die Überleitung von Flusswasser nach Süden entwässernder Flüsse in den Oberlauf des Huang He,
• in Ostchina der Große Kanal sowie
• die zentrale, vom Drei-Schluchten-Stausee kommende und über den Danjiangkou-Stausee am unteren Kartenrand führende Trasse.