Der Aufstieg der USA zu einer führenden industriellen und technologischen Wirtschaftsmacht begann in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Bereits vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatten die Vereinigten Staaten das bis dahin in der Industrieproduktion führende Großbritannien überholt. Die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der USA haben verschiedene Faktoren gefördert: reiche Bodenschätze, die klimatische und landschaftliche Vielfalt sowie günstige politische Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Unternehmen. Es entstand ein differenziertes Standortmuster mit regional unterschiedlichen wirtschaftlichen Schwerpunkten.
Die Karte gibt einen Überblick über die räumliche Verteilung der Standorte von Landwirtschaft, Bergbau, Industrie und Dienstleistungen in den USA, in Kanada und im nördlichen Teil von Mexiko.
Rohstoffvorkommen und Folgeindustrien
Die große Bedeutung, die Verkehrswege wie Eisenbahnlinien und Highways für die wirtschaftliche Entwicklung hatten und haben, wird noch heute in Kanada deutlich, wo die Zentren von Bevölkerung und Wirtschaft linienartig entlang der Verkehrskorridore liegen. Die industrielle Tätigkeit beschränkt sich in Kanada auf einen schmalen Saum im Süden des Landes, nördlich davon ist fast ausschließlich die Gewinnung von Rohstoffen (Bergbau) oder die Nutzung der Wasserkraft zur Elektrizitätsgewinnung anzutreffen. Auch im Westen der USA und in Mexiko, wo ausgedehnte Gebirge, Steppen oder Halbwüsten liegen, ist die Basis der wirtschaftlichen Tätigkeit häufig die Rohstoff- und Edelmetallgewinnung.
In Nordamerika gibt es eine Vielzahl von Rohstoffen, die die gesamte Bandbreite von Energieträgern bis hin zu Spezialerzen abdecken. Dieser Reichtum hat die wirtschaftliche Entwicklung der USA sehr begünstigt. So ist zum Beispiel die Eisen- und Stahlerzeugung in den nördlichen und südlichen Appalachen auf die Nähe zu den Rohstoffvorkommen zurückzuführen. Die Eisen- und Stahlindustrie an den Großen Seen entstand maßgeblich, weil die benötigten Rohstoffe sehr kostengünstig herantransportiert werden konnten – etwa Eisenerz aus der Mesabi Range an der Westseite des Oberen Sees oder auf dem Wasserweg über den St. Lorenz-Strom aus Übersee (s. 216.1). Die günstige Verkehrslage hat dort auch wesentlich zur Ansiedlung zahlreicher Folgeindustrien beigetragen; an erster Stelle zu nennen ist der Fahrzeugbau im Raum Detroit.
An der Küste zum Golf von Mexiko hat die Gewinnung von Erdöl und Erdgas sowohl auf US-amerikanischer als auch auf mexikanischer Seite die Ansiedlung von Raffinerien und Folgeindustrien (Chemie, Kunststoffe) initiiert. Auch im Binnenland der USA gibt es teils sehr große herkömmliche Lagerstätten von Erdöl und Erdgas, beispielsweise in Texas und Kansas. Darüber hinaus existieren Vorkommen von Erdöl und Erdgas in Form von Ölschiefern (Utah) oder Ölsanden (Alberta/Kanada, s. 214.1) sowie diffusen Lagerstätten (Fracking, s. 220.4). Große Vorkommen anderer Energieträger wie Steinkohle gibt es in den Appalachen und den Rocky Mountains; Uranerz gewinnt man im Norden von Saskatchewan / Kanada.
Landwirtschaft
Für die Landwirtschaft bietet Nordamerika eine Vielzahl unterschiedlicher Standortbedingungen. Im Norden lassen die winterliche Kälte und die Kürze der Vegetationsperiode nur eine forstliche Nutzung zu. Auch in den Gebirgen und Trockenräumen im Westen sowie Südwesten ist Landwirtschaft nur eingeschränkt möglich. Der Mittelwesten ist durch den Anbau von Mais und Sojabohnen gekennzeichnet. Die Great Plains sind die „Kornkammer“ Nordamerikas. In klimatischen Gunsträumen wie Kalifornien und dem Südosten der USA ist der Anbau sehr unterschiedlicher Kulturen möglich, zum Beispiel Baumwolle, Erdnüsse, Mandeln, Gemüse, Wein oder Zitrusfrüchte. Hier bestimmt häufig die Verfügbarkeit von Wasser das landwirtschaftliche Potenzial (s. 221.5–6).
Die Industrieregionen im Norden
Hinsichtlich der räumlichen Verteilung der Industriestandorte lassen sich mehrere große Zentren unterscheiden, die zum Teil von den USA nach Kanada übergreifen.
Die bedeutendste Industrieregion Nordamerikas war lange Zeit der Manufacturing Belt, der sich von Quebec in Kanada bis zum nördlichen Mississippi um St. Louis erstreckt. Für seinen Aufstieg waren mehrere Gunstfaktoren ausschlaggebend. Zunächst entwickelte sich die Industrie im östlichen Teil, den Neuenglandstaaten, wobei die Lage an der Hauptschifffahrtsroute nach Europa und die Funktion des Gebietes als Haupteinfallstor für die Einwanderer eine wichtige Rolle spielten. Weitere Standortvorteile waren der Holzreichtum und die Verfügbarkeit von Wasserkraft. Später erfolgte die Ausweitung der Industrieregion nach Westen. Dabei bildeten die Agrarerzeugnisse aus dem Mittelwesten die Grundlage für die auch heute dort stark vertretene Nahrungs- und Genussmittelindustrie.
Die Montanindustrie des Manufacturing Belt gründete sich auf die Kohlevorkommen in den Appalachen und die Erze im oberen Ohiotal. Als die Erzlager dort erschöpft waren, wurde der Erzabbau in die Mesabi Range am Oberen See verlagert. Für mehrere Jahrzehnte war der Raum um Pittsburgh die „Stahlküche Amerikas“. Im Raum Detroit entstand mit Automobilindustrie und ihren Zulieferern ein wichtiger Abnehmer für den erzeugten Stahl.
In jüngerer Zeit hat die Montanindustrie im Manufacturing Belt an Bedeutung eingebüßt, weil wegen technologischer Neuerungen und veränderter Rahmenbedingungen einer zunehmend globalisierten Wirtschaft die alten Standortvorteile heute weniger bedeutsam sind. Neue Hütten- und Stahlwerke entstanden beispielsweise in Küstenlage, oder Stahl bzw. Stahlerzeugnisse werden heute importiert. Der allgemeine Niedergang der Montanindustrie hat dem Manufacturing Belt die Bezeichnung „Rostgürtel“ (Rust Belt) eingetragen. Dies muss jedoch differenziert betrachtet werden. Während bestimmte Standorte durch anhaltende Krisen gekennzeichnet sind, ist vielerorts durch gezielte Förderung der Infrastruktur, der Bildungs- und Forschungslandschaft sowie moderner Wirtschaftszweige (Biotechnologie, Elektronik) der Strukturwandel ehemaliger Altindustrieregionen hin zu zukunftsorientierten Branchen vollzogen worden. Teile des Nordostens, zum Beispiel die Region Boston, haben einen solchen Strukturwandel gar nicht vollziehen müssen. Ihre Entwicklung ist dem Silicon Valley (214.2) eher vergleichbar als Standorten wie Detroit oder Pittsburgh. Zur wirtschaftlichen Stärke des Nordostens trägt nicht zuletzt der starke Dienstleistungssektor bei, exemplarisch hierfür stehen New York und Washington.
Im pazifischen Nordwesten der USA bildet der Raum um Seattle und Vancouver einen industriellen Schwerpunkt. Neben der nach wie vor bedeutsamen Holzindustrie hat sich aufgrund der vorhandenen Wasserkraft die Aluminiumindustrie angesiedelt, an die sich wiederum der Flugzeugbau, vertreten etwa durch Boeing in Seattle, und andere Industrien als Großabnehmer angeschlossen haben. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Elektronik und Software, vertreten durch Microsoft. Der Nordwesten profitiert ebenso wie Kalifornien vom stark angestiegenen transpazifischen Handel. In Kanada hat sich im Raum Edmonton / Calgary auf der Basis der Erdöl- und Kohleverarbeitung und der chemischen Industrie ein größerer Industriestandort entwickelt.
Die Industrieregionen im Süden
Im Süden der USA fallen zunächst der Großraum Atlanta bzw. die südlichen Appalachen als industriell geprägte Region ins Auge. Dort hatten sich schon frühzeitig Industrieunternehmen aus den Bereichen Eisen- und Stahlerzeugung und Maschinenbau angesiedelt. Der Raum östlich der Appalachen entwickelte sich zu einem Schwerpunkt der Textilindustrie (auf der Basis von Wasserkraft arbeitende Textilspinnereien, die Baumwolle aus den Südoststaaten der USA verarbeiteten). Heute konzentrieren sich in Atlanta moderne Wirtschaftsbranchen wie Flugzeugbau, Elektronik und Dienstleistungen; die Stadt ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt.
Durch die Erdöl verarbeitende Industrie werden zum einen die Golfküste zwischen Corpus Christi im Westen und New Orleans im Osten und zum anderen der Raum Dallas / Fort Worth geprägt. Weitere Branchen sind die Aluminiumerzeugung, der Flugzeugbau und die Elektronik.
Ein wichtiges Industriezentrum hat sich in Kalifornien entwickelt. Schon 1906 siedelte sich die Flugzeugindustrie im Raum San Diego / Los Angeles an, ab 1913 auch die Filmindustrie (Hollywood). Von großer Bedeutung war und ist die Verarbeitung von Produkten aus der kalifornischen Landwirtschaft. Eine bedeutsame Teilregion, die sich durch Standorte der Luftfahrtindustrie und Elektronik sowie durch Internetdienstleistungen auszeichnet, ist das südlich von San Francisco gelegene Silicon Valley, das sich nach 1940 zu einer führenden Wirtschaftsregion entwickelt hat (vgl. 214.2). Entscheidende Standortfaktoren waren hier zunächst der Aufbau militärischer Einrichtungen ab 1940, die Ansiedlung der Flugzeugfirma Lockheed und die Eröffnung des Industrieparks der Universität von Stanford nach 1950. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen der Stanford University und der Industrie entwickelte sich das Silicon Valley zu einem internationalen Zentrum innovativer Technologien mit zahlreichen neuen Firmen. Neben der Elektronik hat sich die Region als Standort marktbestimmender Global Player der Bereiche Kommunikationstechnologie, Software und Internetdienstleistungen etabliert (z. B. Google).
Dienstleistung und Forschung
Die Karte weist verschiedene Großstädte als Dienstleistungszentren mit internationaler Bedeutung aus. Diese Städte sind zumeist der Sitz großer Unternehmen, Banken oder Börsen; sie beherbergen aber auch Dienstleistungen ganz anderer Art, etwa international renommierte Universitäten und andere Forschungseinrichtungen oder Kliniken mit einem weltweiten Renommee.
Von großer Bedeutung sind die Einrichtungen der Forschung und Anwendung von Hochtechnologie, beispielsweise die staatlichen Einrichtungen in Los Alamos (New Mexico), in Oak Ridge (Tennessee) oder in Kap Canaveral (Florida). Die enge Verbindung von Forschung und industrieller Anwendung hat neben dem Silicon Valley auch in Boston, entlang der sogenannten Route 128, und im Research Triangle Park in North Carolina, der auch als das „Silicon Valley des Ostens“ bezeichnet wird, zur Ballung von technologieorientierten Unternehmen geführt. Nicht zuletzt Forschungsgelder des Verteidigungsministeriums, der NASA und der National Science Foundation haben die Spitzenforschung ermöglicht, die dann in der Industrie Anwendung findet.
Wirtschaftsmacht USA
Der Aufstieg der USA zu einer globalen Wirtschaftsmacht, der im ausgehenden 19. Jahrhundert begann, wurde durch eine ganze Reihe von Faktoren begünstigt. Eine wichtige Rolle spielten dabei sowohl die reichen Bodenschätze als auch die klimatische und landschaftliche Vielfalt. Das stabile demokratische System und günstige Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Unternehmen wirkten sich ebenso förderlich aus wie die positive Einstellung der Amerikaner zu Arbeit und Erfolg. Zahlreiche bahnbrechende Erfindungen und der enge Verbund von Forschung, Industrie und Produktion sind als weitere Triebfedern des Erfolges zu nennen.
Bedeutende Impulse gingen in den letzten Jahren von der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA (North American Free Trade Area) aus. Nachdem zwischen den USA und Kanada schon ab 1989 nahezu Zollfreiheit herrschte, wurde mit Inkrafttreten der NAFTA zum 1. Januar 1994 ein weiterer wichtiger Schritt zur Handelsliberalisierung zwischen den USA, Kanada und Mexiko vollzogen. Seither ist es zu einem überdurchschnittlichen Anstieg des Warenaustausches zwischen den beteiligten Ländern gekommen. Zahlreiche US-amerikanische Unternehmen haben Fertigungsstätten jenseits der mexikanischen Grenze errichtet, um Kostenvorteile zu nutzen und so den Weltmarkt beliefern zu können. In der sogenannten Maquiladora-Industrie werden angelieferte Vorprodukte zu Endprodukten verarbeitet (s. 268.2); wegen schlechter Arbeitsbedingungen und niedriger Löhne steht diese allerdings auch stark in der Kritik. Schritte zur Handelsliberalisierung im pazifischen sowie transatlantischen Raum – vergleichbar der NAFTA – werden maßgeblich von den USA vorangetrieben.