Europa - Physische Übersicht

Europa - Europa - Physische Übersicht
978-3-14-100803-6 | Seite 86 | Abb. 1| Maßstab 1 : 16000000

Überblick

Europa ist ein stark gegliederter Kontinent mit großen Binnenmeeren und langen Küsten. An geologische alte Schilde, die heute zu weitgespannten Landschaften eingeebnet sind, wurden in drei Phasen Gebirge angefaltet. In Abhängigkeit vom Alter sind diese im Laufe der Erdgeschichte bereits mehr oder weniger stark abgetragen bzw. durch Bruchtektonik zu Mittelgebirgen umgeformt worden.

Nordeuropa

In Skandinavien überlagern sich nordsüdlich ausgerichtete geologische Strukturen (Urkontinent und angefaltetes kaledonisches Gebirge) mit einer klimatischen Zonierung von Norden nach Süden und einer Differenzierung nach der Höhenlage. Dem Gebirge der Skanden im Westen und Nordwesten stehen die Teilbecken der Ostsee und weitgehend ebene Landschaften im Osten (Südfinnland) und Süden (Jütland, Südschweden) gegenüber. Die Skanden haben in Teilen Hochgebirgscharakter und tragen Gletscher. Zwischen den Skanden und der Ostsee vermittelt eine nach Nordwesten und Südosten ausgerichtete Abdachung, die durch den parallelen Verlauf der Flüsse besonders in Nordschweden augenfällig ist.

Der skandinavische Raum war während der letzten Kaltzeiten von Inlandeis bedeckt. Entsprechend zeigen die Oberflächenformen an Küsten, in Tälern und in den Ebenen vielfältige Spuren glazialer und periglazialer Formung. Auch der Reichtum an Seen ist darauf zurückzuführen.

Eine Sonderstellung nimmt die Insel Island nicht nur wegen ihrer nördlichen Lage ein (Tundrenvegetation). Der Mittelatlantische Rücken verläuft durch die Insel und bewirkt aktive Tektonik und Vulkanismus (Geysire; s. 106.1).

Westeuropa

Frankreich umfasst weiträumig ebene bis hügelige Tiefländer, Becken und Tafelländer, die durch Atlantik und Mittelmeer, durch Pyrenäen, Alpen und Vogesen deutlich begrenzt werden. Nur das Zentralmassiv und die Cevennen im Süden sind Gebirge, die größere Höhen erreichen.

Zwischen den Vogesen und dem Zentralmassiv einerseits und dem Jura und den Alpen andererseits liegt eine breite Grabenzone, der die Flüsse Saone und Rhone folgen. Nördlich der Ardennen besteht im Bereich der Mündungen von Rhein, Maas und Schelde eine breite Übergangszone zu Mitteleuropa.

Großbritannien wird durch den Gegensatz zwischen den flachwelligen Stufenlandschaften Südostenglands und den kaledonischen bzw. variskischen Mittelgebirgen der Penninen, des Schottischen Hochlandes und der Cambrian Mountains gekennzeichnet. Irland weist ähnliche Gegensätze auf.

Der Alpenraum

Die Alpen sind Teil des jungen alpidischen Faltengebirgsgürtels. Sie markieren als Hochgebirge sowohl klimatisch als auch historisch eine Grenze zwischen Mittel- und Südeuropa. Während sie im Süden zur Poebene scharf begrenzt sind, haben sie im Norden ein relativ breites Vorland, dessen Grenze etwa durch Donau und Aare markiert wird. Für den Alpenraum ist die Verbindung von Massiven sowie gefalteten und verschobenen Gesteinsdecken charakteristisch. Erstere sind aus den Schwellen des Geosynklinalmeeres entstanden, letztere aus dessen Trögen. Die Westalpen werden aus Massiven wie dem Montblancmassiv aufgebaut. In der Schweiz bilden sie zwei Zonen, die durch das Längstal der Rhone getrennt sind (u. a. Aaremassiv, Gotthardmassiv). Die Ostalpen bestehen aus drei Gebirgsketten: den Nördlichen Kalkalpen, den Zentralalpen (Tauern) und den Südlichen Kalkalpen; getrennt werden sie jeweils durch Längstäler (Inn, Salzach, Enns, Drau).

Südwesteuropa

Der südwestliche Mittelmeerraum wird durch das Nebeneinander von Hochgebirgslandschaften und dem Mittelmeer einschließlich seiner Inseln bestimmt.

Die älteren Gebirge stammen aus der variskischen Phase (Zentralmassiv, Kern der iberischen Halbinsel, Hochland der Schotts). Mit ihnen eng verzahnt sind die jüngeren Gebirge der alpidischen Phase (Kordillere, Pyrenäen, Alpen, Apenninen, Er Rif, Atlas).?Zwischen den europäischen und den nordafrikanischen Gebirgen liegt das Mittelmeer, dessen Inseln durchweg der alpidischen Phase zuzuordnen sind. Deren z. T. aktiver Vulkanismus (vgl. Atlas 136.2) weist ebenso auf eine aktive Tektonik hin wie schwere Erdbeben. Zwischenden Gebirgen oder in sie eingebettet liegen große Ebenen (Po), Gräben (Rhone), Täler (Ebro) oder weitgespannte Becken (Kastilien). Sie sind von besonderer Bedeutung für Besiedlung und Wirtschaft, Gleiches gilt für die mehr oder weniger breiten Küstensäume.

Südosteuropa

Südosteuropa, der östliche Mittelmeerraum und die Türkei haben ihre Gestalt fast vollständig während der Phase der jungen alpidischen Gebirgsbildung erhalten. Die Gebirgsketten haben in ihren höchsten Teilen Hochgebirgscharakter (u. a. Karpaten, Rhodopen, Taurus, Kaukasus). Im Osten liegen innerhalb der Gebirgslandschaften große Seen wie der Vansee und der Urmiasee. Die Anlage großer Stauseen am Oberlauf des Euphrat deutet auf einen für diese Region zentralen Aspekt und Konfliktpunkt hin: die Wasserversorgung. Schmale Küstensäume leiten von den Gebirgsketten zum Mittelmeer und seinen Randmeeren wie dem Ägäischen und Adriatischen Meer über; hier finden sich zahlreiche Gruppen kleiner Inseln. Zypern und Kreta sind die beiden größten Inseln des östlichen Mittelmeeres, beide habe Gebirgscharakter.

Ausnahmen innerhalb der Gebirgslandschaften bilden die weit gespannten und von großen Flüssen durchströmten Landschaften des Pannonischen Beckens und des türkischen Anatoliens, das vom Pontischen Gebirge und dem Taurus eingerahmt wird. Ebenen größerer Ausdehnung entstanden an den Küsten, wo große Flüsse ihre Sedimente abgelagert haben (Donau, Seyhan/Ceyhan). Im Norden sind die Ebenen des Osteuropäischen Tieflandes, im Südosten die der Arabischen Halbinsel angeschnitten.

Der Mittelmeerraum ist aufgrund der aktiven tektonischen Störungslinien stark erdbebengefährdet.

Osteuropa

Weiträumige Niederungen, Tafel- und Hügelländer bestimmen die Oberflächengestalt Osteuropas. Lediglich im Südosten (Karpaten) und Süden (Jailagebirge auf der Krim) begrenzen Gebirge, die größere Höhen erreichen, das Osteuropäische Tiefland. Im Süden Osteuropas liegen die Binnenmeere des Kaspischen Meeres, des Asowschen Meeres und des Schwarzen Meeres, im Norden die Ostsee. Zu Mitteleuropa besteht eine breite Übergangszone (Polen). Im Osten markieren Ural und Kaspisches Meer die Grenze zu Asien.

Innerhalb des Osteuropäischen Tieflandes fallen zwei große, nordsüdlich ausgerichtete Platten auf, die nirgendwo 400 Meter Höhe überschreiten. Das nördliche Osteuropa wurde während der Kaltzeiten glazial überformt, das Eis erreichte etwa an der Linie Lemberg–Kiew–Kasan seine maximale Ausdehnung. Außerhalb des Gebiets der jüngsten Vereisung entstand ein besonders breiter Lössgürtel, der heute die Grundlage einer ausgedehnten landwirtschaftlichen Nutzung ist. Spuren der letzen Kaltzeit sind auch die zahlreichen Seen im Norden Osteuropas.

Die großen Ströme, die die Niederungen durchfließen, sind ebenso auffällig wie die Eingriffe des Menschen in das Gewässernetz. Während des Winters sind die Flüsse oft mehrere Monate zugefroren.

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