Deutsche Nordseeküste - Tourismus und Naturschutz
Überblick
Das Wattenmeer ist eine der letzten großen Naturlandschaften Mitteleuropas und zugleich eines der produktivsten Ökosysteme der Erde. Mit seinen angrenzenden Salzwiesen und Dünen bietet es einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren, von denen manche nur hier vorkommen, einen unersetzlichen Lebensraum. Das Wattenmeer ist nicht nur Heimat von Schweinswalen, Seehunden und Kegelrobben, sondern auch Laichgrund zahlreicher Fischarten, bedeutendes Rast- und Mausergebiet für Millionen Watvögel, Gänse, Enten und Möwen, und nicht zuletzt Klärbecken der Nordsee
Das Wattenmeer steht in drei Nationalparks unter besonderem Schutz. Zu den geschützten Flächen zählen neben dem Watt auch die Salzwiesen, Dünen, Sandbänke und Priele. Die besiedelten und wirtschaftlich genutzten Inseln Nordfrieslands sind dagegen fast vollständig ausgenommen.
Der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, 1986 gegründet, erstreckt sich von der niederländischen Grenze bis zur Elbmündung bei Cuxhaven und umfasst drei Zonen. Die Kernzone, der gut 68 Prozent der Fläche zugehören, genießt den höchsten Schutz und darf ganzjährig nur auf ausgewiesenen Pfaden betreten werden. Die zweite Zone umfasst rund 31 Prozent der Fläche und ist zugänglich, allerdings sind bestimmte Bereiche während der Brutzeit in Frühjahr und Sommer gesperrt. Nur etwa 0,5 Prozent der Fläche ist Badestränden und Kureinrichtungen vorbehalten. Der ursprünglich 244 000 Hektar große Nationalpark wurde durch zwei Erweiterungen 2001 und 2010 auf 345 000 Hektar bedeutend ausgeweitet.
Der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, 1985 ins Leben gerufen, 1999 ebenfalls stark erweitert, ist der flächenmäßig größte Nationalpark in Deutschland. Er erstreckt sich von der deutsch-dänischen Seegrenze bis zur Elbmündung im Süden und umfasst alle Landschaftsformen rund um die Geestkern- und Marscheninseln und Halligen. Mitten im Nationalpark vor Friedrichskoog befindet sich die Ölbohrplattform Mittelplate, die das bedeutendste deutsche Ölfeld ausbeutet. Die großen Öltanker von einst wurden inzwischen durch eine unterirdische Pipeline ersetzt. Der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer wurde 1990 gegründet.
Offshore-Windparks sind innerhalb des Naturschutzgebietes verboten, allerdings führt die Anbindung an das Land zwangsläufig durch das Schutzgebiet hindurch. Der Sand- und Kiesabbau vor Sylt wird nicht zu kommerziellen Zwecken durchgeführt, sondern dient einzig dem Küstenschutz (Sylt, Halligen). 2009 wurde das Wattenmeer von den Niederlanden bis zu den Nordfriesischen Inseln in die Liste des UNESCO-Weltnaturerbes aufgenommen.
Tourismus an der Nordseeküste
Die Nord- und Ostfriesischen Inseln zählen zu den bedeutendsten Tourismusregionen in Deutschland, die jährlich etwa 10 Mio. Übernachtungsgäste und 30 bis 40 Mio. Tagesausflügler anlockt. Während die Region über Jahrhunderte als rau und unwirtlich galt, setzte im 19. Jahrhundert mit der Entstehung eines neuen großbürgerlichen Reiseverhaltens ("Sommerfrische") und der Gründung erster Seebäder eine Umdeutung ein. In der zuvor vor allem vom Fischfang lebenden Region entwickelte sich der Tourismus zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Auf vielen der Inseln und in einigen Orten auf dem Festland ist der Tourismus inzwischen die bedeutendste Einnahmequelle und wichtigster Motor des lokalen Arbeitsmarktes. Das touristische Angebot umfasst neben Wattwanderungen geführte Rad, Kutter- und Erlebnistouren, Events und Veranstaltungen, aber auch Kur-, Wellness- und Sportangebote sowie Erholungszentren (zum Beispiel "Feriendorf Wangerland").
Um negative Auswirkungen des Tourismus auf das Ökosystem Wattenmeer zu vermeiden, haben sich Naturschutzverwaltungen, Tourismus- und Marketingorganisationen, die zuständigen Regionalregierungen und Umweltverbände aus Deutschland, den Niederlanden und Dänemark auf die Erarbeitung einer "Strategie für die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus" für das gesamte Wattenmeer geeinigt, und damit einer zentralen Forderung des Welterbe-Komitees entsprochen. Ein wichtiges Ziel ist zum Beispiel, die Anlage neuer Yachthäfen in der offenen Küstenlandschaft zu verhindern, um die einzigartige Naturlandschaft nicht durch touristische Übernutzung zu gefährden; gleiches gilt für die Errichtung neuer Urlaubs- und Freizeiteinrichtungen außerhalb bereits existierender Orte.