Perlflussdelta (Südost-China) - Verstädterung und Wirtschaftswachstum - 1980

Asien - China
978-3-14-100870-8 | Seite 166 | Abb. 1| Maßstab 1 : 1000000

Überblick

Im Perlflussdelta mündet der Xi Jiang, der drittlängste Fluss Chinas, in das Südchinesische Meer. Der Vergleich der Karten zeigt, wie sich die Region infolge eines Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums in nur 35 Jahren verändert hat. 1980 gab es mit Hongkong und Guangzhou zwei Millionenstädte, Foshan zählte 700 000 und Dongguan 400 000 Einwohner, hinzu kamen einige kleinere Städte. Prägend waren aber nicht die Städte, sondern Dörfer und ausgedehnte Flächen für Reis- und Gemüseanbau oder Aquakulturen. Zu dieser Zeit lebten noch etwa 70 Prozent aller Chinesen auf dem Land.

Heute dagegen leben im Perlflussdelta fast 60 Mio. Menschen auf einer Fläche, die mit 17 000 Quadratkilometern kaum größer ist als Thüringen. Allein in Guangzhou, Dongguan Shenzhen und Hongkong sind es über 30 Mio. Menschen, darüber hinaus gibt es sechs weitere Millionenstädte (eingerechnet Zhaoqing, westlich von Foshan). Dies führt zu extrem hohen Besiedlungsdichten. Schon heute sind die Städte praktisch zu einem zusammenhängenden Stadtraum zusammengewachsen. Als Mega-Metropole ist das Perflussdelta damit um ein Drittel bevölkerungsreicher als der Ballungsraum Tokio, die nach der Bevölkerungszahl größte städtische Agglomeration der Erde.

Aufgrund seiner immensen Wirtschaftsleistung und einer hochmodernen Verkehrsinfrastruktur ist das Perflussdelta von globaler Bedeutung. In Shenzhen, Hongkong und Guangzhou befinden sich drei der größten Containerhäfen der Welt, hinzu kommen zwei Großflughäfen in Shenzhen und Hongkong mit zusammen über 110 Mio. Passagieren pro Jahr. Das 300 Kilometer lange U-Bahn-Netz von Guangzhou ist mit Foshan und Dongguan verbunden, bis 2020 soll ein komplettes City-Train-Netz alle elf Großstädte mit Schnellzügen verknüpfen. Überdies ist die Region an das nationale Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen, die knapp 2300 Kilometer lange Fahrt Guangzhou - Peking dauert weniger als acht Stunden. Zu den bedeutendsten Infrastrukturprojekten zählt gegenwärtig die Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke, die ab 2017 als längste Brücke der Welt (35 km) die Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau auf beiden Seiten des Perlflussdeltas verbinden wird.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Region beruht auf dem Clusterprinzip, die elf Städte haben sich allerdings auch spezialisiert. Entwicklungszentrum der Region ist Guangzhou, die Hauptstadt der Provinz Guangdong. Rund 30 Prozent aller chinesischen Exporte stammen aus dieser Provinz, der "Werkbank der Welt". Shenzhen ist - wie Zhuhai - Zentrum der Industrie und zudem Sitz großer Elektronikkonzerne wie Huawei und TCL. Hongkong ist Asiens Finanzmetropole und fast ausschließlich vom Dienstleistungssektor geprägt. In Huizhou werden Elektronikteile gefertigt, während Volkswagen in Foshan jährlich 300 000 Autos produziert. Weitere Branchenschwerpunkte der Region sind Informationstechnologie, Maschinenbau, Textilindustrie, Chemische Industrie, Biotechnologie, Optik und Photonik.

Das immense Wachstum ist mit gewaltigen infrastrukturellen Herausforderungen im Hinblick auf Wohnungsbedarf, Verkehrssteuerung, Energieerzeugung, Wasserversorgung und Abfallbeseitigung verbunden. Ein großes, noch ungelöstes Problem ist die Umweltbelastung. Die Region leidet unter starker Luftverschmutzung, dennoch ist fast ein Dutzend weiterer Kohlekraftwerke geplant. Fast noch gravierender ist die Belastung des Flussdeltas, in das jahrelang tonnenweise ungefilterte Abwässer eingeleitet wurden. Nach Prognosen von Umweltschützern wird die Region schon bald unter Wasserknappheit leiden, weil das vorhandene Wasser zu belastet sein wird, um es zu nutzen.

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