Wienerberg - Neue Gartenstadt

Mitteleuropa - Urbane und ländliche Räume
978-3-14-100900-2 | Seite 118 | Abb. 3| Maßstab 1 : 4000

Überblick

Die Karte zeigt einen neu entstandenen Stadtteil in Wien-Favoriten, auf einem ehemaligen Industriestandort. Das Besondere: Das Quartier wurde nach den Prinzipien der 2004 in Amsterdam gegründeten Stiftung Biotope City geplant, mit der dichten Stadt als Teil der Natur. Damit stehen vor allem zwei Ziele im Fokus: Zur Bewältigung des Klimawandels sollen die regenerativen Mechanismen der Natur genutzt und gleichzeitig das Wohlbefinden der Wohnbevölkerung gesteigert werden.

Areal, Bebauung und Infrastruktur

Die Gartenstadt ist auf dem ehemaligen Coca-Cola-Gelände entstanden, einem 5,4 Hektar großen Areal am Übergang vom dichtbebauten Inner-Favoriten zu den durchgrünten Gebieten im Süden des Bezirks. Es befindet sich damit in unmittelbarer Nachbarschaft zur Triester Straße, zur Wienerberg City und zum Erholungsgebiet Wienerberg. Auf 13 Bauplätzen wurden insgesamt rund 900 Wohnungen realisiert, bei etwa 600 förderte die Stadt den Bau. Über 200 der Wohnungen wurden als besonders kostengünstige SMART-Wohnungen geplant, bei denen eine hohe Alltagstauglichkeit bei gleichzeitig günstigen Eigenmitteln und Mieten im Vordergrund steht. Ein durchdachter Grundriss soll die optimale Nutzung jedes Quadratmeters ermöglichen – beispielsweise können SMART-Wohnungen vollständig mit Standardmöbeln eingerichtet werden.
Weiterhin zeigt die Karte großzügig gestaltete Freiräume zwischen der Bebauung, zahlreiche Gemeinschaftsflächen, zu denen unter anderem ein Schwimmbad, offene Wasserläufe und Kinderspielplätze zählen, sowie Flächen für gemeinschaftliches „Urban Gardening“, der kleinräumigen gärtnerischen Nutzung städtischer Flächen. Ergänzt mit einer Schule, einem Kindergarten, Geschäften der Nahversorgung und Büroflächen, bietet das neue Wohnquartier ein breitgefächertes Freiraumangebot.
Das Quartier verfügt über mehrere Parkgaragen, E-Auto-Ladestationen und sogenannte Mobility Points. Letztere definiert die Stadt Wien in einem eigens dazu verfassten Leitfaden als Orte, an denen „unterschiedliche Mobilitätsangebote und Services miteinander verknüpft und ein einfacher Zugang zu diesen gewährt werden“. Die räumliche Kombination beispielsweise von Radabstellplätzen inklusive Reparatur- und Servicesäule mit unterschiedlichen Leihangeboten (z. B. Carsharing-Fahrzeuge, Mietwagen, E-Scooter und Motorräder) soll die Inter- und Multimodalität in der Stadt fördern und gleichzeitig eine Mobilitätsgarantie im Quartier gewährleisten. Zukünftig wird eine geplante U-Bahn-Linie die infrastrukturelle Anbindung ergänzen.

Planung und Umsetzung

Den Anstoß zur Realisierung des Biotope-City-Konzepts auf dem ehemaligen Coca-Cola-Gelände gab der im Jahr 2016 verstorbene Harry Glück, dessen von Anthropologen und Biologen beeinflusste Idee von Städtebau sich in seinem wohl bekanntesten Projekt, dem Wohn- und Kaufpark Alterlaa (einer der größten Wohnanlagen Österreichs, ebenfalls in Wien) manifestierte. Die Planung wurde letztlich in einem kooperativen Verfahren durchgeführt, an dem drei Architekturbüros, Fachplanungen verschiedener Disziplinen und Magistratsabteilungen, die Bauträger sowie der Bezirk beteiligt waren. Der Baustart erfolgte im Sommer 2017, die ersten Wohnungen wurden im Spätherbst 2019 übergeben. Bei Gesamtbaukosten von 100,4 Millionen Euro für die geförderten Wohnprojekte steuerte die Stadt Wien insgesamt 32 Millionen Euro an Fördermitteln für die Schaffung von kostengünstigem, qualitätsvollem Wohnraum bei.
Beim Bau stand eine nachhaltige Vorgehensweise im Vordergrund: Abbruchmaterial wurde weitgehend im Bauprozess recycelt, das Regenwasser auf den Bauplätzen gesammelt und verwendet, die Bauweise entspricht modernen Standards zur Energieeffizienz. Nicht zuletzt sorgt die intensive Begrünung dafür, dass der Feinstaub gebunden wird. Auch die soziale Nachhaltigkeit wurde einbezogen: Bewohnerinnen und Bewohner sollen die Gelegenheit haben, sich zu treffen und gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen. Dafür braucht es Frei- und Handlungsspielräume. Die Bauträger haben das Quartiersmanagement der Caritas-Stadtteilarbeit damit beauftragt, dass beides für Bewohnerinnen und Bewohner sowie für die angrenzenden Stadtteile geschaffen und gemeinsam getragen wird.

Das Biotope-City-Prinzip

Das von einer niederländischen Stiftung propagierte Konzept Biotope City möchte angesichts der weltweit zunehmenden Verstädterung (laut UN lebte 1950 nicht einmal ein Drittel der Weltbevölkerung in Städten, seit 2007 ist es mehr als die Hälfte, 2050 könnte es bereits zwei Drittel sein) und der damit einhergehenden Umweltfolgen eine neue Form der Kooperation von Stadt und Natur erreichen: Selbstregenerationsmechanismen der Natur sollen genutzt werden, um die heutigen und weiterhin zu erwartenden Belastungen des urbanen Lebensumfelds zu mildern. Das bedeutet, sowohl die klimawirksamen Mechanismen der Vegetation zur Temperatur- und Feuchtigkeitsregulierung sowie zur Luftreinigung, als auch des Bodens zur Regenwasserrückhaltung auszunutzen. Die Integration von vermehrtem Blattgrün beispielsweise durch Bäume, Sträucher, Dach- oder Fassadenbegrünung schafft in den Städten außerdem neue Lebensräume für Insekten, Vögel und kleine Säugetiere, die durch Faktoren wie die Landwirtschaft oder den Bergbau immer knapper werden. Laut Stiftung betrachtet das Konzept der Biotope City die Stadt nicht länger als Gegenpol zur Natur, sondern als eine spezifische Form von Natur. Das Ziel ist eine Einreihung urbaner Gebiete in die uns vertraute Natur-Typologie wie Wald, Weideland, Sumpf, Felsgebirge, Düne etc.

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Diercke

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Wienerberg - Neue Gartenstadt
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Klimaanpassung in Wien
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