Paris - Innenstadt

London und Paris - Weltstädte
978-3-14-100940-8 | Seite 57 | Abb. 4 | Maßstab 1 : 50000

Überblick

Bis Mitte der 1960er-Jahre war das Zentrum der Île de France, der Kernlandschaft des Pariser Beckens, von einem kaum kontrollierten Ausufern der französischen Hauptstadt und ihrer besonders stark wachsenden Vorstädte gekennzeichnet. Als Hauptachsen der Siedlungsentwicklung dienten dabei die Verkehrswege, wie sich an der Verteilung der bebauten Flächen und der Freiflächen erkennen lässt. Erst durch den Raumordnungsplan von 1965 wurden strategische Grundsätze für die städtebauliche Entwicklung der Region Paris festgelegt.

Die historische Entwicklung der Pariser Innenstadt

Das Zentrum von Paris lässt bis heute Spuren seiner historischen Entwicklung erkennen. Eine markante Strukturlinie ist die Seine. Ausgangspunkt der Besiedlung war eine Passage über den Fluss im Bereich der Insel Île de la Cité. Das Straßennetz von Paris weist bis heute geometrische Regelmäßigkeiten auf, die auf die gallisch-römische Stadtanlage zurückgehen.

Charakteristisch für Paris ist eine klare funktionale Differenzierung, die ebenfalls ein Relikt seiner Geschichte ist. Mittelalterliche Pläne unterteilten die Stadt in Université, Cité und Ville de Paris. Mit „Université“ war das „Quartier Latin“ um die im Jahr 1200 gegründete Universität von Paris gemeint. Die „Cité“ umfasste die Seine-Insel mit dem Königspalast, der Kathedrale und öffentlichen Einrichtungen. „Ville de Paris“ war der Name für das frühbürgerliche Paris am nördlichen Seineufer, das sich seit der frühen Frankenzeit zum wirtschaftlichen Zentrum entwickelt hatte. Der Louvre wurde im 13. Jahrhundert als neues königliches Schloss angelegt. Auch am Ostrand der mittelalterlichen Stadtummauerung entstanden Stadtpaläste des Königs und des Adels. Das Marais-Viertel wurde zum bevorzugten Wohngebiet des Hochadels, wie die vielen Stadtpaläste oder „Hôtels“ in diesem Stadtteil belegen.

Die großen Straßendurchbrüche, Platzanlagen, Parks und andere Infrastrukturmerkmale entstanden dagegen erst in der Neuzeit. Dabei spielte die Stellung von Paris als Residenzstadt eine große Rolle. Markant ist zum Beispiel die vom „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. im 17. Jahrhundert konzipierte Ost-West-Achse, die vom Louvre aus zum königlichen Jagdwald von Saint-Germain-en-Laye führte. Im Zeitalter des Absolutismus entwickelten sich das westliche Viertel Saint-Honoré (um die in der Karte beschriftete Rue de Faubourg Saint-Honoré, wobei „Faubourg“ generell Siedlungen direkt außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern meint) und das südliche Saint-Germain-des-Prés (um den Boulevard Saint Germain) zu bevorzugten Bezirken des Hochadels und des Großbürgertums, wie die Anlage der Avenue des Champs-Elysées, des Invalidendoms und weitere Prachtstraßen und Plätze ab dem Ende des 17. Jahrhunderts belegt.

Baron Haussmann und das moderne Paris

Die soziale und funktionale Differenzierung der Innenstadt verstärkte sich im 19. Jahrhundert. Unter Napoléon I. wurden bereits Strukturveränderungen eingeleitet. Die gravierendsten Veränderungen, vor allem im Straßennetz, erfuhr die Innenstadt jedoch unter Napoléon III. und seinem Stadtpräfekten Baron Haussmann um die Mitte des Jahrhunderts. Unter Haussmann wurde nicht nur die große Nord-Süd-Achse zwischen Ostbahnhof (Gare de l’Est) und Montparnasse geschlagen, sondern auch die West-Ost-Achse über die Rue de Rivoli bis zur Place de la Bastille sowie die inneren Boulevardringe. Kennzeichnend für das neue Paris wurden sternförmige Straßenkreuzungen, in deren Zentrum ein markanter Blickfang lag; exemplarisch dafür ist der Place Charles de Gaulle mit dem zentralen, weltberühmten Arc de Triomphe. Entlang der neu geschlagenen Achsen und Boulevards wurde eine einheitliche, klassizistische Blockrandbebauung konzipiert, die bis heute weitgehend erhalten blieb und Paris ein sehr einheitliches, ansprechendes Stadtbild verleiht.

Im Westen der Innenstadt entstanden derweil neue „Nobelviertel“. Der Pariser Osten und die Außenbezirke verarmten hingegen und entwickelten sich auch deshalb zu dem berüchtigten „Ceinture rouge“, dem „roten Gürtel“, in Anspielung auf den starken Rückhalt für sozialistische und kommunistische Parteien in diesen Vierteln. Die Entwicklung von Saint-Honoré zum Hauptgeschäftszentrum mit zahlreichen Großkaufhäusern (Galeries Lafayette, Printemps, La Samaritaine), entlang der Boulevards fällt vor allem in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Wirtschaftliche Stellung und aktuelle Entwicklung

Die Metropolregion Paris ist heute unangefochten das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Frankreichs. Mit einer Bevölkerungszahl von rund 11 Mio. (2024) beherbergt sie rund ein Sechstel der französischen Bevölkerung, gleichzeitig ist sie das bedeutendste Industrie- und Dienstleistungszentrum des Landes.

Seit Beginn des neuen Jahrtausends stagniert die Bevölkerung im Innenstadtbereich (Ville de Paris) auf einem Niveau von rund 2,1 Mio. Menschen (Stand 2024), während die Metropolregion seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen Zuwachs verzeichnet. Das Métro-Netz, eines der größten weltweit, wurde in den letzten Jahrzehnten ständig durch neue U- und S-Bahn-Linien, Straßenbahnen und Buslinien ergänzt, um den Nahverkehr für Millionen Menschen sicherzustellen. Überdies wurde 2007 ein flächendeckendes Netz aus öffentlichen Fahrradleihstationen eröffnet, um den Nahverkehr zu entlasten und den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren. Zu diesem Zweck wurde ein Radwegenetz konzipiert und konsequent, zum Teil gegen viele Widerstände, ausgebaut. Die Olympischen Spiele 2024 führten zu einer Reihe von städtebaulichen Innovationen, insbesondere mit Blick auf die nachhaltige, dezentrale Errichtung olympischer „Streudörfer“ und deren flexibler Weiternutzung nicht nur für finanzkräftige Käufer und Mieter, mit Blick auf die Nutzung bereits vorhandener und sanierter Austragungsorte sowie von temporären, binnen weniger Wochen flexibel errichteter und wieder abgeschlagener Austragungsorte sowie mit Blick auf ein neues U-Bahnnetz namens Grand Paris Express, das weit in den Vorortgürtel ausgreifen soll und die Gesamtlänge des Métro-Netzes bis 2040 verdoppeln wird.

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