Überblick
Baden-Württemberg zählt zu den wirtschaftsstärksten und wettbewerbsfähigsten Regionen Europas. Insbesondere im Bereich der industriellen Hochtechnologie sowie Forschung und Entwicklung gilt Baden-Württemberg als die innovativste Region der Europäischen Union. Laut einer Studie eines arbeitgebernahen Verbands befindet sich Baden-Württemberg hinter Kalifornien und Massachusetts auf dem dritten Platz der innovativsten Regionen der Welt. Die Forschungsstärke spiegelt sich in den Ausgaben für Forschung und Entwicklung wider, welche 2021 bei 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Regierungsbezirk Stuttgart lag (Tübingen 5,5 %, Karlsruhe 5,4 %, Freiburg 3,1 %), der höchste Wert unter allen EU-Regionen.
Baden-Württemberg hatte 2024 mit 4,2 Prozent nach Bayern die zweitniedrigste Arbeitslosenquote (Bundesdurchschnitt: 6,0 Prozent) und 2022 mit 39 Prozent den höchsten Anteil der Industrie (inklusive Bergbau) an der Wirtschaftsleistung. Bei dessen Indikator – dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) – lag Baden-Württemberg sowohl beim BIP pro Kopf der Bevölkerung mit 51 400 Euro, als auch beim BIP pro erwerbstätige Person mit 90 200 Euro im Jahr 2022 an vierter Stelle der Bundesländer (nach Hamburg, Bremen und Bayern bzw. nach Hamburg, Bayern und Hessen). Begonnen hat seine wirtschaftliche Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert mit Feinmechanik (Uhrenindustrie, Herstellung von Musikinstrumenten), Maschinenbau, Textil- sowie Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Zu den früh industrialisierten Regionen gehörten neben den Großstädten die Gebiete um Aalen-Heidenheim, Villingen-Schwenningen, Lörrach und Albstadt. Mittlerweile haben sich zwei große Wirtschaftsräume mit hoher Bevölkerungs- und Arbeitsplatzdichte herausgebildet: die Rheinschiene mit den Schwerpunkten Mannheim/Heidelberg, Karlsruhe, Offenburg, Freiburg und den an Basel grenzenden, äußersten Südwesten um Lörrach (hier wohnen überwiegend auch die rund 50 000 baden-württembergischen Grenzpendler in die Schweiz) sowie der Großraum Stuttgart mit den in benachbarte Flusstäler ausgreifenden Industriegassen an Neckar, Rems und Fils. Zwei weitere Verdichtungsräume entstanden um Ulm an der Grenze zu Bayern sowie im oberschwäbischen Schussenbecken mit Ravensburg und Weingarten sowie dem nahegelegenen Friedrichshafen am Bodensee.
Überragende Bedeutung der Industrie
Das Bundesland steht heute an der Spitze der Industrialisierung in Deutschland. Industrie und Gewerbe beschäftigten 2022 in 8 500 Betrieben rund 1,3 Millionen Menschen, was rund einem Drittel der Erwerbstätigen entspricht. Damit ist Baden-Württemberg das deutsche Bundesland mit dem höchsten Anteil der Industriebeschäftigten.
Die nach Beschäftigtenzahlen wichtigsten Branchen sind die Maschinenbauindustrie, die mit vielen Unternehmen in Baden-Württemberg ansässig ist, und der Fahrzeugbau: Baden-Württemberg ist ein Zentrum der Automobilindustrie mit Standorten in Stuttgart, Sindelfingen, Neckarsulm, Mannheim, Rastatt, Gaggenau, Bühl, Ulm, Friedrichshafen und Weissach. Allein die Automobil- und Maschinenbaubranche beschäftigte 2022 ca. 547 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und hatte einen Anteil von 50 % am Gesamtumsatz von 437 Mrd. Euro. Darüber hinaus bedeutsam ist die Herstellung von Metallerzeugnissen. Weiterhin war früher im Schwarzwald die Feinmechanik sehr bedeutend, insbesondere die Uhrenindustrie sowie später die Unterhaltungselektronik. An Bedeutung verloren hat hingegen die früher vor allem auf der Schwäbischen Alb ansässige Textilindustrie, die sich mittlerweile auf die Produktion spezieller Gewebe wie technischer Textilien spezialisiert hat, jedoch nach wie vor einige namhafte Bekleidungshersteller aufweist. Die Mineralölraffinerie Oberrhein in Karlsruhe ist die zweitgrößte Mineralölraffinerie in Deutschland. Relevant und bedeutend für die Wirtschaft einiger Städte und Gemeinden ist die Rüstungsindustrie mit etwa 120 Unternehmen. So ist Oberndorf am Neckar baden-württembergisches Zentrum für Schusswaffen. Darüber hinaus zu erwähnen ist die Herstellung von Zündern und Leitsystemen für Flugkörper in Seedorf. Die Bodenseeregion ist ebenfalls zentral für die Produktion von Verteidigungsgeräten.
Auch Unternehmen der Elektrotechnik zählen zu den Hauptarbeitgebern. Unter den zahlreichen mittelständischen Betrieben finden sich viele hoch spezialisierte Unternehmen von überregionaler, teilweise sogar globaler Bedeutung (sogenannte „Hidden Champions“). Dazu zählt die Herstellung von feinmechanischen und optischen Geräten, Uhren, Spielwaren, Bestecken, Schrauben, Nahrungs- und Genussmitteln sowie elektronischen Bauteilen.
Charakteristisch für die Wirtschaft des Landes sind seine Familienunternehmen. Unter den 1 000 größten Familienunternehmen Deutschlands befinden sich 190 in Baden-Württemberg, das ist Platz drei im Bundesländervergleich. Auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl kann das Land damit die drittmeisten Familienunternehmen in Deutschland vorweisen.
Bergbau und Energie
Der in erster Linie im Schwarzwald betriebene Abbau von Bodenschätzen wie Silber, Blei, Zink, Kupfer, Kobalt oder Eisen ruht seit langer Zeit. Steinsalz wird bei Heilbronn und im Salzbergwerk Stetten bei Haigerloch abgebaut. Die Kernkraft spielte 1995 mit etwa 61 % noch eine große Rolle bei der Stromerzeugung (s. 33.2), mittlerweile wurden jedoch alle Atomkraftwerke abgeschaltet. Dies sowie der weitere Rückgang fossiler Energieträger (z. B. minus 56 Prozent bei Steinkohle) bewirkte einen signifikanten Abfall der Stromerzeugung zwischen 2022 (s. 33.2) und 2023 um minus 31 Prozent, von rund 53 900 Gigawattstunden (GWh) auf 37 150 GWh. Aktuell kann die Differenz zum Stromverbrauch, der 2023 bei rund 52 000 GWh lag, nur durch Stromimporte ausgeglichen werden.
Bedeutender Dienstleistungssektor
Mehr als 60 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten in der Informations- und Dienstleistungsbranche. In der Forschung und Entwicklung, die von Staat und Wirtschaft gemeinsam getragen werden, waren 2022 knapp 200 000 Menschen beschäftigt. Damit ist Baden-Württemberg mit Abstand Spitzenreiter unter den Bundesländern. Baden-Württemberg ist auch einer der wichtigsten IT- und Medienstandorte (u. a. Software-Entwicklung, Druckgewerbe) Deutschlands, in Walldorf bei Heidelberg hat das größte europäische Software-Unternehmen seinen Sitz. Überregional bedeutende Fachmessen finden in Stuttgart, Karlsruhe, Sinsheim, Freiburg, Offenburg, Ulm und Friedrichshafen statt. Heidelberg besitzt die älteste und eine der renommiertesten Universitäten Deutschlands. Dazu kommen Universitäten in Tübingen, Freiburg, Karlsruhe, Konstanz, Mannheim, Stuttgart, Hohenheim und Ulm sowie eine Vielzahl von Fachhochschulen.
Dichtes Verkehrsnetz
Baden-Württemberg verfügt über ein dichtes Verkehrsnetz, wobei das Straßennetz besonders gut ausgebaut ist. Schon früh erschlossen war das Oberrheinische Tiefland. Fast alle Oberzentren sind durch Autobahnen verbunden – die Länge der Autobahnen in Baden-Württemberg beträgt gut 1000 Kilometer, weitere 4200 km sind Bundesstraßen sowie rund 22 000 km Landes- und Kreisstraßen. Das schienengebundene Nahverkehrsnetz ist gut ausgebaut, die Region Karlsruhe ist mit der Verknüpfung von Eisenbahn und Straßenbahn (Tram/Train, das sogenannte „Karlsruher Modell“) bundesweit ein Vorreiter. Der Fernverkehr (ICE, IC) konzentriert sich entlang von zwei Achsen: Die Rheintalbahn, eine Hochgeschwindigkeitsausbaustrecke, von Mannheim über Karlsruhe, Offenburg und Freiburg bis Basel, sowie die Hochgeschwindigkeitsneubaustrecke von Mannheim über Stuttgart bis Ulm und weiter nach München und Wien. Diese soll im Rahmen des umstrittenen Ausbauprojekts Stuttgart 21 bis 2026/27 fertiggestellt werden (s. 11.3). Der internationale Flughafen von Stuttgart ist gemessen am Passagieraufkommen (rund 9 Mio. 2024) der siebtgrößte in Deutschland.
E. Astor