Amerika - Bevölkerung im 16. Jahrhundert

Amerika - Staaten und Geschichte
978-3-14-100941-5 | Seite 139 | Abb. 2 | Maßstab 1 : 90000000

Überblick

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gab es auf dem amerikanischen Kontinent eine Vielzahl ursprünglich aus Asien stammender Völker, die vor ca. 12 000 bis 15 000 Jahren eingewandert waren und zwischen nördlicher bzw. südlicher Eisgrenze und Äquator unter den verschiedensten klimatischen Bedingungen lebten. Zu ihnen zählten ebenso die drei Hochkulturen der Azteken, Maya und Inkas wie eine große Zahl nomadischer oder auch siedelnder Bevölkerungsgruppen, die teils sammelnd und jagend, teils kriegerisch oder Ackerbau treibend den Kontinent bevölkerten.

Indigene Bevölkerung in Nordamerika

Man schätzt die Zahl der Indigenen im Bereich des heutigen Kanadas und der USA vor Ankunft der europäischen Siedler auf ein bis zwei Millionen Menschen. Die indigene Bevölkerung war kulturell differenziert und ungleichmäßig verteilt. Die höchste Dichte gab es in den Waldregionen des Ostens. Zwischen der Küste und den Großen Seen siedelten die Algonkin, südlich davon die Mohikaner und Delawaren, die früh von den europäisch-stämmigen Auswanderern vernichtet wurden. Im Bereich der Großen Seen bildeten die Irokesen eine mächtige und kriegerische Konföderation, die in der Mitte des 17. Jahrhunderts die benachbarten Huronen größtenteils vernichteten.

Die im Bereich der Appalachen lebenden Cherokee entwickelten bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein hohes Maß an politischer und kultureller Eigenständigkeit.

Im südlich folgenden Tiefland lebten die überwiegend Ackerbau betreibenden, in dörflichen Strukturen organisierten Muskhogee, unter denen die Creeks die kriegsfreudigsten waren.

Die Lebensformen von Bevölkerungsgruppen der Great Plains und Prärien entwickelten sich im Kulturkontakt mit den Spaniern. Die häufig recht kriegerischen und mobilen Gruppen wie Sioux, Cheyenne oder Apachen gehörten unterschiedlichen Sprachfamilien an.

Höchst unterschiedliche Lebensformen zeigte der Westen und trockene Südwesten Nordamerikas. Neben jagenden Nomadenstämmen und sesshaften Völkern, die Ackerbau betrieben, gab es hier die Pueblos, welche die berühmten „Klippensiedlungen“ erbauten und in hochgetürmten Wohnsiedlungen lebten.

Die Begegnungen zwischen der indigenen Bevölkerung und den europäischen Kolonisten verliefen anfangs meist friedlich. Mit der wachsenden Zahl der Siedelnden und den verschiedenen Auffassungen hinsichtlich des Landbesitzes kam es jedoch bald zu Konflikten. Maßnahmen der Umsiedlung und Vertreibung, aber auch die gezielte Ausrottung kennzeichneten die Politik des europäisch-stämmigen Amerikas gegenüber der indigenen Bevölkerung.

Zwar gab es seit der Mitte des 18. Jahrhunderts immer wieder staatliche Bestrebungen zum Schutz der Indigenen, so durch die Ausweisung von Reservaten, in denen die indigenen Bevölkerungsgruppen meist zwangsweise angesiedelt wurden. Mit dem stetigen Vordringen der Besiedlung während des 19. Jahrhunderts wurde die indigene Bevölkerung jedoch immer stärker ihrer ursprünglichen Lebensräume beraubt und vernichtet. Überdies fielen unzählige Indigene nach 1860 den von der amerikanischen Armee geführten „Indianerkriegen“ zum Opfer. Erst 1924 erhielten die Indigenen die volle amerikanische Staatsbürgerschaft. Erst durch die rechtliche Gleichstellung der Indigenen und der Nachkommen afroamerikanischer Sklaven im 20. Jahrhundert wurde in den USA die Basis für eine multikulturelle Gesellschaft gelegt, wobei der Zuwanderungsstrom und die Binnenwanderungen erheblich dazu beitrugen, dass die Vision von Amerika als einem „Melting Pot“ der unterschiedlichsten Ethnien zumindest teilweise verwirklicht wurde.

Inuit

Eine besondere Stellung nehmen heute die Inuit, First Nations und Métis im hohen, harschen Norden Nordamerikas ein, da ihre Lebensräume aufgrund der menschenfeindlichen Bedingungen weitgehend von Einwanderung ausgespart blieben. So stellen diese Bevölkerungsgruppen im Westen und Norden Alaskas, im gesamten Norden Kanadas (Barren Grounds, Kanadischer Schild, Labrador sowie auf den nördlichen Inseln, s. 136.1) und auf Grönland die Bevölkerungsmehrheit. Die sich selbst als Inuit („Menschen“) bezeichnenden Eskimos sind ein ehemals mongolisches Polarvolk, welches Alaska, die kanadische Eismeerküste und Grönland besiedelt. In Jagdhorden, die früher im Sommer in Lederzelten, im Winter in Iglus lebten, stellten sie Rentieren, Meeressäugern und Fischen nach. Heute leben die Indigenen des hohen Nordens überwiegend in festen Behausungen, aber unter schwierigen sozialen und kulturellen Bedingungen in kleinen, sehr weit verstreuten und schwer zugänglichen Ortschaften.

Indigene Bevölkerung in Mittel- und Südamerika

Dominiert wurde Mittelamerika von den Mayas und Azteken. Die Azteken waren im 11. Jahrhundert in Mexiko eingewandert und hatten durch kriegerische Eroberungen ein Großreich geschaffen. Die eroberten Gebiete wurden besetzt und zu Tributzahlungen verpflichtet. Ihre Hauptstadt Tenochtitlán bauten die Azteken im 14. Jahrhundert mit Tempelpyramiden, Palästen, Aquädukten, Brücken und großen Plätzen prachtvoll aus. Grundlage der aztekischen Wirtschaft war ein kunstvoller Feldbau auf künstlich bewässerten Terrassenanlagen und schwimmenden Gärten. Die Azteken verfügten über Kalender, Schrift, Papier, ein entwickeltes Kunsthandwerk und ein staatlich organisiertes Schulsystem, welches zwischen den oberen und unteren Ständen streng gegliedert war. Von den Azteken sind aber auch barbarische Opferrituale bekannt, in denen jährlich Tausenden bei lebendigem Leib das Herz herausgerissen wurde, um den Sonnen- und Kriegsgott Huitzilopochtli günstig zu stimmen. Hernan Cortés eroberte das Aztekenreich (1519-21) mithilfe einiger von den Azteken unterjochten Bevölkerungsgruppen, wie den Texcoco – ihre Hauptstadt Tenochtitlán wurde zerstört, auf ihren Ruinen entstand das heutige Mexiko-Stadt.

Die ebenfalls in Mittelamerika ansässigen Maya überragten in der Astronomie und Mathematik alle anderen indigenen Kulturen. Ihre Städte wurden unter astronomischen und religiösen Gesichtspunkten angelegt und enthielten neben Tempeln, Kultbauten und Palästen auch Plätze für das Ballspiel. An verschiedenen Orten gab es eine Reihe von Zeremonialzentren. Die Maya schrieben eine komplizierte Hieroglyphenschrift und verfügten ebenfalls über ein Schulsystem. Die Hochblüte ihrer sehr alten, bis in vorchristliche Jahrhunderte zurückreichenden Kultur, endete bereits lange vor dem Einzug der Azteken, die von ihnen gewisse religiöse Vorstellungen (unter anderem Menschenopfer) übernahmen.

Das größte aller Indigenenreiche war das der Inkas, welches sich in Südamerika über weite Teile Ecuadors, Perus und Boliviens sowie über Gebiete Argentiniens und Chiles erstreckte. Das auf theokratischer Basis organisierte Reich war in vier Provinzen gegliedert und wurde von einem absoluten Herrscher regiert. Wirtschaftliche Grundlage war ein Feldbau mit Terrassenfeldern, Bewässerungssystemen und Düngung. Das Straßensystem übertraf an Ausdehnung das der Römer. Die Wortzeichenschrift der Inkas ist nur teilweise entziffert. Auch sie verfügten über ein Schulsystem mit einem strengen Zweiklassencharakter. Es gab wiederkehrende Kulthandlungen und Zeremonien, doch scheint es Menschenopfer nur in Notzeiten gegeben zu haben.

In Südamerika gab es neben dem Riesenreich der Inkas eine Vielzahl indigener Kulturen mit weit über 500 Sprachen. Zum Teil existierten Frühformen einer intensiven, arbeitsteilig durchgeführten Landwirtschaft, zum Teil sehr einfache Subsistenzwirtschaften. Zahlreiche Stämme lebten auch hier teils nomadisch, teils sesshaft von Fischfang und Jagd, wie die Stämme der Karaiben und die von den Portugiesen weitestgehend ausgerotteten Tupi.

Europäische Entdecker und Eroberer

Die Entdecker Amerikas – Kolumbus, Vespucci und Caboto (Vater und Sohn) – waren italienische Seefahrer. Sie folgten meist den Küsten und waren im Auftrag Spaniens oder Portugals unterwegs. Die eigentlichen Eroberer Amerikas waren Konquistadoren wie Hernan Cortés oder Francisco Pizarro, die die Hochkulturreiche Mittel- und Südamerikas auf der Suche nach Reichtümern und zum Zwecke der christlichen Missionierung gewaltsam unterwarfen und durch eingeschleppte Krankheiten dezimierten. Während der danach einsetzenden kolonialen Verwaltung und Besiedlung wurde Spanien im ausgehenden 16. Jahrhundert in Süd- und Mittelamerika zur mächtigsten Ordnungsmacht, während der Einfluss Portugals auf das riesige Brasilien beschränkt blieb.

K. Lückemeier

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