Überblick
Die Kolonialisierung Afrikas beschränkte sich noch bis weit ins 19. Jahrhundert im Wesentlichen auf die Begründung europäischer Handelsposten an der Küste. Die größten Teile des Kontinents befanden sich unter einheimischer Herrschaft. Eine Ausnahme machte die Kapkolonie, ursprünglich eine Proviantstation der Niederländischen Ostindien-Kompanie, in die ab 1657 holländische Siedler eingewandert waren. Diese Buren hatten das weiße Siedlungsgebiet nach ihrem „Großen Treck“ 1835/38 durch die Proklamation der „Burenstaaten“ erweitert. Ansonsten trieben privilegierte europäische Handelsgesellschaften an verschiedenen Küstenstützpunkten einen schwunghaften Handel mit afrikanischen Naturprodukten und Sklaven; legal bis 1820, illegal bis 1870. Das Landesinnere des Kontinents blieb, abgesehen von ersten Forschungsreisen und Missionsvorstößen, weitgehend unberührt.
Wettlauf um Afrika
Eine neue Qualität erreichte der Kolonialismus in den 1880er-Jahren mit dem „Scramble for Africa“, dem Wettlauf um afrikanische Kolonien, der den Beginn des Zeitalters des Imperialismus markierte. In einem überstürzten Konkurrenzkampf teilten die europäischen Mächte innerhalb von nur rund 15 Jahren gewaltsam fast den gesamten Kontinent unter sich auf. Unabhängig blieben einzig Äthiopien an der Ostküste und das am Atlantik gelegene Liberia, das 1847 durch den Zusammenschluss mehrerer Ansiedlungen für befreite schwarze Sklaven aus den USA entstanden und 1848/49 von den europäischen Mächten anerkannt worden war.
Beschlossen wurde das Schicksal Afrikas auf der Kongokonferenz, zu der sich die Staatsmänner Europas auf Einladung Bismarcks im November 1884 in Berlin versammelten, nachdem die Verteilungskonflikte in Afrika zu eskalieren drohten. Die Konferenz führte zur fast restlosen Aufteilung des Kontinents in Interessensphären und zur nachfolgenden Besetzung der Gebiete. Die Grenzziehung erfolgte zumeist willkürlich und berücksichtigte weder ethnische noch religiöse oder kulturelle Traditionen. Der Kongostaat, zwischen 1881 und 1885 vom belgischen König Leopold II. erobert, wurde auf der Berliner Konferenz zu seinem Privatbesitz erklärt. In der Folgezeit ließ Leopold das wohl grausamste aller europäischen Kolonialreiche errichten, in dem brutalste Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung waren und in dem Millionen Menschen starben. Die öffentliche Empörung über diese „Kongogräuel“ war so groß, dass der König seinen Landbesitz 1908 als Kolonie Belgisch-Kongo an den belgischen Staat verkaufte.
Europäische Interessensphären
Von der strategischen Zielsetzung her erstrebte Großbritannien einen Korridor zwischen der britischen Kap-Provinz (um Kapstadt) und dem britisch beherrschten Ägypten am Mittelmeer (Kap-Kairo-Plan). Die englische Expansion erfolgte von Norden und Süden. Von Süden „eroberte“ Cecil Rhodes 1889/90 mithilfe zugeneigter afrikanischer Reiche und Herrscher zunächst Betschuanaland, dann das nach ihm benannte Nord- und Südrhodesien (das heutige Sambia bzw. Simbabwe). Nach der Niederlage der Burenrepubliken Transvaal und Oranje-Freistaat im Zweiten Burenkrieg zwischen 1899 und 1902 wurde das gesamte Gebiet als Südafrikanische Union zusammengefasst. Von Norden her wurden Ägypten und nach der Niederschlagung des Mahdi-Aufstands der Sudan besetzt. Britisch-Somaliland und Aden dienten vor allem der Sicherung der Schifffahrtsrouten nach Indien.
Frankreich versuchte unterdessen, von Algerien und vom Senegal her ganz Westafrika zu durchdringen. Das Vorhaben, eine großsudanesische Einheit zu schaffen, scheiterte 1898 mit der Faschoda-Krise, bei der sich britische und französische Truppen auf dem Gebiet des heutigen Sudan gegenüberstanden. Die drohende Kriegsgefahr wurde 1899 durch einen Kompromiss beigelegt. Dennoch verfügte Frankreich über ein großes, zusammenhängendes Kolonialreich in West- und Äquatorialafrika und erhob darüber hinaus Anspruch auf Madagaskar und Französisch-Somaliland im Nordosten Äthiopiens.
Bismarck, ein typischer Kabinettspolitiker des 19. Jahrhunderts, aber überhaupt kein Imperialist, konnte sich nur schwer dazu entschließen, den Wettkampf um ferne Kolonien aufzunehmen. Die Gebiete, auf die das Deutsche Reich schließlich Ansprüche erhob – Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika und Sansibar – waren kolonialwirtschaftlich vergleichsweise uninteressant. Sansibar wurde im deutsch-britischen Helgoland-Sansibar-Vertrag (1890) gegen Helgoland getauscht.
Italien eroberte 1887 Eritrea und 1888 Italienisch-Somaliland. Der Versuch einer Annexion Äthiopiens schlug fehl. Nach der Niederlage von Adua musste Italien 1896 dessen Unabhängigkeit anerkennen. Im italienisch-türkischen Krieg von 1911/1912 eroberten die Italiener das zuvor osmanische Libyen, wodurch das letzte afrikanische Gebiet an eine europäische Macht kam.
Portugal als sicherlich älteste auf dem afrikanischen Kontinent vertretene europäische Macht (zurückgehend auf die Entdeckungsfahrten Heinrich des Seefahrers im 15. Jahrhundert) erweiterte seine westlichen und östlichen Küstenstützpunkte zu den Kolonien Angola und Mosambik.
Spanien verfügte mit dem Er-Rif an der nordafrikanischen Gegenküste zu Andalusien seit 1912, sowie dem Rio de Oro (seit 1884a) und dem Rio Muni (seit 1778) über das kleinste Kolonialreich auf dem afrikanischen Kontinent.
Afrika nach dem Ersten Weltkrieg
Durch die gleichzeitigen Vorstöße von Norden und Süden reichte der britische Kolonialbesitz um die Jahrhundertwende fast durchgehend vom Mittelmeer bis an das Kap der Guten Hoffnung. Unterbrochen wurde er nur von Deutsch-Ostafrika, das nach den Vereinbarungen der europäischen Mächte zur Aufteilung Afrikas auf der Berliner Konferenz von 1884/85 an das Kaiserreich gefallen war, nach dem Ersten Weltkrieg aber der Verwaltung des Völkerbundes unterstellt und fortan britisch verwaltet wurde. Damit war der Kap-Kairo-Plan endgültig verwirklicht. Gleiches geschah auch mit den anderen deutschen Kolonien: Deutsch-Südwestafrika wurde nach 1918 britisch verwaltet, während Togo und Kamerun das zusammenhängende französische Kolonialgebiet in Nord-, West- und Zentralafrika vergrößerten.