Überblick
Wasserverbrauch und Abwasseranfall sind im dicht besiedelten Ruhrgebiet je Flächeneinheit etwa siebenmal so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Dennoch verfügt die Region mit der Ruhr und ihren Nebenflüssen (Lenne, Volme, Möhne, Wenne usw.), die im niederschlagsreichen Sauerland und Rothaargebirge entspringen (vgl. 54.1), über genügend natürliche Wasserläufe, um die Versorgung von 4,6 Millionen Menschen mit Trink- und Brauchwasser zu gewährleisten.
Entstehung der Wasserwirtschaft
Um allerdings die heutige Versorgungssicherheit zu erreichen, musste erst das Problem der unregelmäßigen Wasserführung der Ruhr mit ihren Schwankungen zwischen fünf Kubikmetern pro Sekunde in trockenen Sommern und bis zu 2 000 Kubikmetern pro Sekunde bei Frühjahrshochwassern überwunden werden.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es im Einzugsgebiet der Ruhr erstmals in mehreren aufeinander folgenden Jahren zu akuten Wasserkrisen. Aufgrund der sehr hohen Wasserentnahme durch Bergwerke, Wasserwerke und die Schwerindustrie waren die Ruhr und ihre Nebenflüsse nicht mehr in der Lage, die Region ausreichend mit Wasser zu versorgen. Die Wupper und die Lippe waren wegen industrieller Verschmutzung und Versalzung für die Trinkwasserentnahme kaum geeignet, noch weit schlimmer war der Zustand der Emscher, die als „Cloaca maxima“ des Ruhrgebiets Abwässer aus den Industrierevieren aufnahm (vgl. 75.2). Verschärft wurde die Wasserkrise dadurch, dass der Grundwasserspiegel infolge des Kohleabbaus weiter sank.
Angesichts der drängenden Versorgungsprobleme entschloss sich der Stadtrat von Remscheid im Frühjahr 1889, eine Talsperre zu bauen, die – als erste ihrer Art – ausschließlich der Trinkwasserversorgung dienen sollte. Die Eschbachtalsperre wurde Ende 1891 vollendet.
Ab 1899 schlossen sich auch an der Ruhr mehrere Wasserwerke zusammen, um Talsperren zu errichten, darunter die Möhnetalsperre, die 1913 eröffnet wurde. Im selben Jahr veranlasste die Reichsregierung die Gründung des Ruhrtalsperrenvereins und des Ruhrverbandes. Der Ruhrverband betreibt heute acht Talsperren, die größten unter ihnen sind die Möhne-, die Bigge- und die Sorpetalsperre. Überdies sorgt er für die Reinhaltung der Ruhr durch die Unterhaltung von 69 Kläranlagen und fünf Ruhrstauseen: dem Hengstey- und dem Harkortsee südlich von Dortmund, dem Baldeney- und dem Kettwiger See im Essener Süden sowie dem Kemnader See südlich von Bochum. Mitglieder des Verbandes sind kommunale wie gewerbliche Wasserwerke und alle Unternehmen, die pro Jahr mehr als 30 000 Kubikmeter Wasser entnehmen.
Funktion der Stauseen
Die Stauseen in der Ruhrregion dienen primär als Sedimentierbecken zur Reinigung des Fluss- und Regenwassers. Weil sich das Volumen der Seen durch die Ablagerung von Sedimenten immer mehr verringert, müssen sie im Abstand mehrerer Jahrzehnte ausgebaggert werden, um ihre Verlandung zu verhindern.
Neben ihrer Filterfunktion dienen die Stauseen der Energiegewinnung. Das erste Wasserkraftwerk an der Listertalsperre ging 1913 in Betrieb. Heute betreibt der Ruhrverband über sein Tochterunternehmen Lister- und Lennekraftwerke GmbH 15 Wasserkraftwerke mit einer installierten Leistung von rund 40 Megawatt. Die durchschnittliche Jahreserzeugung beträgt 63 Mio. Kilowattstunden.
Darüber hinaus haben die Stauseen einen hohen Naherholungswert für die dicht besiedelte Region, weil sie eine Vielzahl von Freizeitaktivitäten ermöglichen. Überdies sind sie auch ökologisch von Bedeutung, beispielsweise dienen sie vielen Vogelarten als Brutstätte oder Rastgebiet.
Gewässerreinigung und Qualitätskontrolle
Im Ruhreinzugsgebiet fallen täglich die Abwässer von rund 2,2 Mio. Menschen aus privaten Haushalten und gewerblichen Betrieben an, die ganz unterschiedliche Grade der Verunreinigung aufweisen. Weil derart verunreinigte Abwässer nicht in die Flüsse gelangen dürfen, werden sie durch die Kanalnetze der Gemeinden in die 65 Kläranlagen des Ruhrverbands abgeleitet. In den Kläranlagen erfolgt eine intensive mechanische und biologische Reinigung der Abwässer, bevor das gereinigte Wasser wieder dem Gewässer zugeleitet wird.
Altlasten aus dem Tagebau
Ein besondere Schwierigkeit vor allem im nördlichen Ruhrgebiet sind die durch den Bergbau verursachten Senkungen von stellenweise mehr als 20 Metern, durch die der natürliche Abfluss erheblich gestört wird. Rund 38 Prozent der Emscherregion sind künstliche Poldergebiete, weil der Fluss in einigen Abschnitten meterhoch über dem Niveau seiner Umgebung liegt. Aus diesem Grund müssen etwa 100 Entwässerungspumpwerke und sechs Abwasserpumpwerke die gesamte Fläche permanent entwässern und dafür Sorge tragen, dass die kommunalen und industriellen Abwässer überhaupt abfließen können. In der Summe werden jährlich etwa 600 Mio. Kubikmeter Wasser aus den Senkungsgebieten der Emscher- und Lipperegion gepumpt, eine Menge die ausreichen würde, den Essener Baldeney-Stausee etwa 70-mal zu füllen.