Überblick
Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft führte zu einer Überformung der städtischen Strukturen von Berlin.Räumliche Strukturen des Stadtgebiets
Im Kartenbild fallen die Innenstadt und der sie umgebende „Wilhelminische Ring“ (s. 38.1) durch ihre dichte Bebauung auf. Innerhalb des Wilhelminischen Rings bilden nur Parks wie der Tiergarten Ausnahmen. Innenstadtbereiche mit ausgeprägten City-Funktionen (s. 39.3) weisen geringere Bevölkerungsdichten als die umgebenden Gebiete auf. Begrenzt wird der Wilhelminische Ring ungefähr durch die 2002 wieder eröffnete Ring-S-Bahn.
Außerhalb dieses Rings bilden die Großwohnsiedlungen der 1970er- und 1980er-Jahre punktuelle Schwerpunkte mit hoher Bevölkerungsdichte. Außerdem bestehen lang gezogene Entwicklungsachsen, die Eisenbahn- bzw. S-Bahn-Linien sowie Kanälen folgen und bis ins Brandenburger Umland reichen.
An diesen Achsen befinden sich nicht nur ausgedehnte Wohngebiete, sondern auch die wichtigsten Industriestandorte Berlins. Beispiele für Industrieachsen sind: nach Norden: Reinickendorf – Henningsdorf (Maschinenbau, Schienenfahrzeugbau), nach Westen: Moabit – Charlottenburg – Spandau (Maschinen- und Fahrzeugbau, Elektrotechnik), nach Süden: Mariendorf – Marienfelde (chemische Industrie, Maschinenbau).
Neben den beschriebenen Achsen sind auch die Gebiete am S-Bahn-Ring und der Stadtautobahn im Westteil bevorzugte Industriestandorte. Ihre Tradition reicht zum Teil bis in die Phase der Industrialisierung im 19. Jahrhundert zurück (s. 38.1).
Die im Brandenburger Umland befindlichen Industriestandorte haben nur zum Teil eine längere Industrietradition (Hennigsdorf, Teltow), an die heute angeknüpft wird. Dahlwitz-Hoppegarten dagegen, unmittelbar am Stadtrand gelegen, ist eine Gründung der Nachwendezeit.
Von der Industrie- zur Dienstleistungsstadt
In der Wirtschaft hat Berlin nach 1945 durch Kriegszerstörungen und Verlagerungen von Unternehmen und nach 1990 durch den Niedergang der Industrie im Osten und den Wegfall der umfangreichen Subventionen im Westen Phasen einer starken Deindustrialisierung vollzogen. Auch die traditionell starken Branchen der Industrie Berlins (Maschinen- und Schienenfahrzeugbau, Elektroindustrie, chemische Industrie, Pharmazie) waren davon betroffen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im produzierenden Gewerbe sank in den letzten Jahrzehnten von rund 342 000 (1991) auf rund 203 300 (2020). Bei rund 1,6 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten entfallen auf die Industrie rund 13 Prozent der Beschäftigten. Der hohe Exportanteil, die moderne Branchenstruktur, innovative Produkte und zahlreiche Unternehmensgründungen sind aber Anhaltspunkte dafür, dass sich die Industrie Berlins in Zukunft positiv entwickeln wird und die Neuausrichtung auf forschungs- und entwicklungsintensive, technologieorientierte Strukturen erfolgreich verlaufen ist. Dazu trägt auch die enge Verzahnung der Industrie mit dem Dienstleistungssektor bei, insbesondere mit Hochschulen und Forschungszentren; exemplarisch ist hier der Standort Adlershof.Dienstleistungsstadt Berlin
In Berlin arbeiten rund 87 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Dienstleistungssektor, dieser trägt über 80 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Im deutschlandweiten Vergleich lag Berlin im Jahr 2021 beim BIP pro Kopf im Mittelfeld, beim BIP-Wachstum an dritter Stelle, bei den Unternehmensneugründungen an der Spitze und bei der Kaufkraft im hinteren Mittelfeld. Die Arbeitslosenquote war 2021 mit 9,8 Prozent in Berlin, nach Bremen, bundesweit am zweithöchsten. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist zwischen 2004 und 2019 um rund 400 000 gewachsen, wobei der Zuwachs fast vollständig auf den Dienstleistungssektor entfiel. Das Corona-Jahr 2020 brachte dann einen Einbruch in den Beschäftigtenzahlen. Typisch für Berlin ist der hohe Anteil der Selbstständigen an den Erwerbstätigen (2021: 10 Prozent).
Innerhalb des Dienstleistungssektors sind die Abgrenzungen der Branchen und die statistische Erfassung nicht einfach vorzunehmen, zumal Verflechtungen über Branchengrenzen hinweg (Cluster) eher die Regel als die Ausnahme sind. Schwerpunkte der Dienstleistungsstadt Berlin heute sind:
Dem Bereich des öffentlichen Dienstes sind Berlin vor allem die Behörden und Einrichtungen auf Bundes- und Landesebene sowie Institutionen der Sozialversicherung zuzuordnen. Insbesondere Berlin-Mitte ist nach der Wende zum Standort zahlreicher Institutionen, Interessenverbände, Medienunternehmen und spezialisierter Dienstleister geworden, die die Nähe zur Bundesregierung suchen.
Der Tourismus (einschließlich Messen und Kongresse) ist die gegenwärtig am stärksten wachsende Teilbranche. Dies macht sich im Hotel- und Gaststättengewerbe, aber auch bei Verkehrsdienstleistern, Serviceunternehmen und im Einzelhandel bemerkbar.
Einer der wichtigsten Schwerpunkte und Standortvorteile Berlins ist heute die besondere Stärke in den Bereichen Forschung und Entwicklung. Die Universitäten und Hochschulen, außeruniversitäre Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen sowie Innovations- und Gründerzentren erleichtern den Wissenstransfer. Die Bedeutung zeigt sich in der Karte anhand der vielen F&E-Standorte.
Unter dem Begriff Kreativwirtschaft werden in Berlin Unternehmen zum Beispiel aus den Bereichen Medien, Design, Musik, Film, Mode, Software, Internet und Kunst zusammengefasst. Hier dominieren klein- bis mittelständische Unternehmensstrukturen mit intensiven Verflechtungen (Netzwerke); der Anteil an Selbstständigen ist besonders hoch.
Logistikstandorte liegen häufig im Umland Berlins, zum Beispiel der Flughafen Berlin Brandenburg.
Der Bereich der Ver- und Entsorgung umfasst zum Beispiel die Kraftwerke, die Gasversorgung, die Wasserwerke sowie die Klärwerke und die Müllentsorgung.