Überblick
Das Kartenpaar zeigt die Veränderungen in Andermatt zwischen 1966 und 2023 im Zusammenhang mit dem Transitverkehr, dem Rückbau der militärischen Infrastruktur und dem Aufbau eines neuen Tourismusresorts mit Attraktionen für den Ganzjahrestourismus (wie z.B. Wellness-Hotels, Kulinarik-Restaurants, Konzerthalle), den Sommertourismus (z. B. der neue 18-Loch-Golfplatz) und für den Wintertourismus, denn geplant sind auch der Ausbau und die Modernisierung des Skigebiets. Die Vereinigung der Skigebiete von Andermatt und Sedrun jenseits des Oberalppasses soll die Attraktivität von Andermatt als Wintersportdestination erhöhen.Andermatt im 19 und 20. Jahrhundert
Andermatt liegt auf einer Höhe von knapp 1 450 m ü. M. am östlichen Ende des Urserentales im Gotthardgebiet. Der Urserenwald (Gurschenwald) oberhalb von Andermatt bildet dabei im ausgesprochen waldarmen Urserental einen natürlichen Schutz des Siedlungskerns vor Lawinenniedergängen. Im Westen verbindet der Furkapass das Urserental mit dem Oberwallis, in östlicher Richtung führt die Oberalppass-Strasse in den Kanton Graubünden. Mit der Eröffnung einer Passage durch die Schöllenenschlucht im 12. Jahrhundert konnte eine wichtige Nord-Süd-Verbindung über den St. Gotthardpass hergestellt werden. 1830 wurde eine Kunststrasse über den Pass fertiggestellt und führte zu einem Aufschwung im Transport- und Gastgewerbe. Nach der Eröffnung des Gotthard-Eisenbahntunnels 1882 blieb Andermatt aber weiter abseits der grossen Verkehrsströme. Die Schmalspurbahn durch die Schöllenenschlucht nach Göschenen schloss Andermatt 1917 an die Gotthardbahn an. Die Furka-Oberalp-Bahn (heute Matterhorn-Gotthard-Bahn) führt seit 1926 vom Oberwallis durch das Urserental über den Oberalppass nach Disentis im Kanton Graubünden. Mit dem Bau dieser Verkehrsachsen wuchs die militärstrategische Bedeutung des Gotthardraumes. Seit den 1880er-Jahren wurden in der Region zahlreiche Festungen, Artilleriestellungen und Kasernenbauten errichtet. Nördlich des alten Siedlungskerns von Andermatt, im Ortsteil Altkirch, wurde um 1900 eine Kaserne erbaut. Die Armee beanspruchte weitere direkt angrenzende Flächen für Schiess- und Ausbildungsplätze. Andermatt profitierte wirtschaftlich von der Präsenz der Armee. Nachteilig waren aber die Abhängigkeit und die Einschränkung alternativer Nutzungen. Der Erste Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise setzten dem Tourismus in Andermatt schwer zu.
Mit dem Bau der Luftseilbahn auf den Gemsstockgipfel (2 963 m. ü. M.) wurde ein neues Skigebiet erschlossen. 1983 erfolgte mit dem Sessellift von Andermatt auf den Nätschen ein weiterer Ausbau der Transportanlagen. Die beiden kleinen Skigebiete konnten aber längerfristig keinen bedeutenden wintertouristischen Aufschwung bewirken.
Der 1980 eröffnete Gotthard-Strassentunnel stellt das Herzstück einer wintersicheren Nord-Süd-Autobahnverbindung von Basel nach Chiasso dar. Der verbliebene Durchgangsverkehr wird seit 1983 auf einer Umfahrungsstrasse westlich des Dorfkerns umgeleitet, was die touristische Aufenthaltsqualität des Orts wieder steigerte.
Im veränderten sicherheitspolitischen Umfeld nach dem Ende des Kalten Krieges führten einschneidende Armeereformen zu einer Reduktion der militärischen Präsenz im Gotthardgebiet. Zahlreiche Bauten und Einrichtungen wurden nicht mehr benötigt. Der Rückzug der Armee ab 1995 führte zu einem Verlust an Arbeitsplätzen. Zusammen mit der stagnierenden bis rückläufigen touristischen Entwicklung verdüsterten sich die wirtschaftlichen Aussichten.
Die touristische Destination Andermatt
Die Karte von 2023 zeigt deutliche Veränderungen, welche die Verkehrsinfrastruktur, die Siedlungsentwicklung und die Nutzungsänderungen in Andermatt betreffen.
Ein ägyptischer Investor lancierte 2005 das Tourismusprojekt „Andermatt Swiss Alps“. Geplant wurde ein Tourismusresort auf dem ehemaligen Militärgelände und weiteren Arealen in der Gemeinde mit einer Gesamtfläche von 1,46 km². Projektiert wurden rund 500 Luxuswohnungen in 42 Wohnhäusern, 20 bis 30 Einzelvillen sowie 6 Luxushotels mit etwa 850 Zimmern. Vorgesehen waren weitere Anlagen für Freizeit, wie ein Sport- und Freizeitzentrum und ein 18-Loch-Golfplatz auf einer Fläche von 130 ha, sowie Kongress- und Konzerteinrichtungen. 2009 begannen die Bauarbeiten. Das Luxushotel eröffnete Ende 2013. Die ersten Wohnungen und die erste Villa konnten 2014 bezogen werden. Der Golfplatz ist seit 2014 spielbereit; die Konzerthalle eröffnete 2019. Das Projekt – einmalig für schweizerische Verhältnisse – ist noch nicht abgeschlossen. Es zeigt sich aber, dass das Projekt auch mit finanziellen Risiken für den Investor verbunden ist. Während der Covid-19-Pandemie war es vor allem der Verkauf von (Zweit-)Wohnungen, der die Rückgänge im Übernachtungstourismus abfederte.
Auch der Ausbau und die Modernisierung des Skigebiets sowie die (2018 erzielte) Vereinigung der Skigebiete von Andermatt und Sedrun jenseits des Oberalppasses sind Teil des Projekts. Dieser Ausbau der Ski-Infrastruktur soll die Attraktivität von Andermatt als Wintersportdestination erhöhen. Neben dem ursprünglichen Investor sind auch US-Tourismusentwickler seit 2024 an dieser übergreifenden Ski-Arena beteiligt. Die Schneesicherheit des neuen Skigebiets Andermatt+Sedrun+Disentis ist im Vergleich zu niedriger gelegenen Wintersportgebieten trotz Klimawandel noch ganz gut; die Abfahrtspisten nach Andermatt und Sedrun können aber auch beschneit werden.
Die Zahl der Logiernächte stieg in Andermatt nach einem Rückgang zwischen 2008 und 2012 (bedingt durch Bauarbeiten) nach der Eröffnung des ersten Luxushotelkomplexes 2013 deutlich an, 2019 dann ein weiteres Mal. Da inzwischen ca. 1 000 Hotelbetten zur Verfügung stehen, liegen die jährlichen Übernachtungen stabil über 100 000 Logiernächten – selbst in den Corona-Jahren.