Europäische Union (EU)

Europa - Zusammenschlüsse und Kooperationen
978-3-14-100919-4 | Seite 76 | Abb. 1| Massstab 1 : 36000000

Überblick

Die Europäische Union (EU), der mit Abstand wichtigste Zusammenschluss von Staaten in Europa, ist als supranationale Gemeinschaft mit eigenen Organen und Institutionen einzigartig auf der Welt. Der EU gehörten 2023 insgesamt 27 Staaten mit insgesamt fast 450 Millionen Menschen an.

Wachstum und Integration

Startpunkt der europäischen Einigung war die durch den Schuman-Plan geschaffene Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch Montanunion, 1951) zwischen Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, Italien sowie Belgien, Luxemburg und den Niederlanden. Die BENELUX-Staaten waren bereits seit 1932 wirtschaftlich miteinander verbunden. Daneben traten durch die Römischen Verträge (1957, 1958 in Kraft) die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) zur friedlichen Nutzung der Kernenergie und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). 1967 wurden die drei Gemeinschaften in der Europäischen Gemeinschaft (EG) zusammengefasst. Ihr traten 1973 Grossbritannien, Irland und Dänemark sowie 1986 Griechenland, Portugal und Spanien bei. Parallel zu diesen Erweiterungen schufen die EG-Mitglieder bis zum Vertrag von Lissabon (2007, 2009 in Kraft) gemeinsame Organe mit Sitz in Brüssel bzw. Strassburg und statteten sie mit immer mehr Befugnissen aus. Seit 1979 wird das Europäische Parlament direkt gewählt.
Kern der europäischen Einigung war die wirtschaftliche Integration. Eine Zollunion wurde für gewerbliche Güter bis 1968 bzw. für Agrargüter bis 1970 verwirklicht. Bereits 1957 beschlossen die damaligen EWG-Staaten den Europäischen Binnenmarkt. Er wurde bis 1993 umgesetzt und umfasst vier Freiheiten: den freien Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital. Voraussetzungen dafür waren der Fortfall von Grenzkontrollen, die Niederlassungsfreiheit für alle EG-Bürger, Harmonisierung von Normen und Vorschriften, Öffnung der Finanz- und Telekommunikationsmärkte und die Freizügigkeit des Kapitalverkehrs. Grundsätzlich gilt seither, dass jedes Produkt, das in einem EU-Land auf den Markt gebracht wird, auch in jedem anderen angeboten werden darf.

Europäische Union

Der Vertrag von Maastricht (1992, 1993 in Kraft) verwandelte die EG nach dem Ende des Ost-West-Konflikts in die Europäische Union (EU), die mit der Gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik (GASP) eine neue „Säule“ erhielt. Auch wurde eine Wirtschafts- und Währungsunion beschlossen. Die Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), damals Norwegen, Schweden, Finnland und Island sowie Österreich und Liechtenstein, nahmen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) am Europäischen Binnenmarkt teil; die Schweiz entschied sich nach einer Volksabstimmung dagegen, ist aber über bilaterale Einzelverträge mit der Europäischen Union weitgehend in den EWR integriert. Nach dem Übertritt von Schweden, Finnland und Österreich (1995) gehören der EFTA heute noch Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein an. Island zog sich 2014 aus den 2010 aufgenommenen EU-Beitrittsverhandlungen zurück.
Die Wirtschafts- und Währungsunion machte Fortschritte und führte 1999 zur Geburt des Euro als Gemeinschaftswährung (Bargeld ab 2001) in zunächst elf Staaten. Die Geld- und Währungspolitik im Euroraum übernahm die Europäische Zentralbank (EZB). Der Vertrag von Amsterdam (1997, 1999 in Kraft) sollte die Union mit institutionellen Reformen und mehr Bürgernähe auf die anstehende grosse Erweiterung um ostmittel-, süd- und südosteuropäische Staaten vorbereiten. 1998 begannen die Beitrittsverhandlungen mit Polen, Estland, Tschechien, Slowenien, Ungarn und Zypern, 1999 auch mit Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien, Malta und der Slowakei.

Herausforderungen

2004 wurde zehn Staaten in die EU aufgenommen. Bulgarien und Rumänien folgten 2007. Kroatien kam erst 2013 hinzu, weil sich die EU nach dem Scheitern einer europäischen Verfassung 2005 eine „politische Pause“ in Sachen Erweiterung und Vertiefung verordnet hatte. Die Osterweiterung war für die EU eine historische Chance, die Teilung Europas zu überwinden. Zugleich erwies sich die politische, wirtschaftliche und soziale Integration dieser „Transformationsstaaten“ als grosse Herausforderung. Ein schwerer Rückschlag für die EU war 2020 der Austritt Grossbritanniens – der „Brexit“ vollzog sich nach einem Referendum 2016 in einem langen und kontroversen Prozess.
Die übrigen Nicht-EU-Staaten Südosteuropas, als Westbalkan zusammengefasst, wurden durch Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen enger an die EU gebunden – als Vorstufe eines Beitritts. Diesen befürwortete die EU 2003 grundsätzlich. Aufgrund von Vorbehalten einiger EU-Mitglieder, inneren Konflikten und rechtsstaatlichen Mängeln, kam es lediglich zu punktuellen Fortschritten. Mit der Türkei, bereits seit 1996 mit der EU in einer Zollunion verbunden, kamen die Beitrittsverhandlungen (ab 2005) wegen politischer Gegensätze nicht voran. Der Angriffskrieg Russlands 2022 forcierte die Annäherung der Ukraine sowie von Moldau und Georgien an die EU. Mit diesen Staaten bestehen seit 2014 bzw. 2016 „vertiefte und umfassende Freihandelszonen“. Die Beitrittsanträge der Ukraine und Moldaus wurden von der EU 2022 akzeptiert, der Georgiens 2023.

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