Interview mit Martin Aufmuth
Wie genau sind Sie auf die Idee für die EinDollarBrille gekommen?
Vor einigen Jahren habe ich in dem Buch „Out of Poverty“ von Paul Polak gelesen, dass weltweit Millionen Menschen Brillen bräuchten und keine haben. Damals dachte ich: „So ein großes Problem, da müsste die Politik doch was ändern oder die WHO oder wer sonst für die globalen Probleme zuständig ist.“ Am nächsten Tag kam ich mit dem Fahrrad zufällig am Ein-Euro-Laden in unserer Stadt vorbei – in einer Wühlkiste lagen Lesebrillen – für nur einen Euro! Ich dachte: „Seltsam – warum gibt es bei uns im reichen Deutschland Brillen für nur einen Euro und in armen Ländern in Afrika nicht?“ Dieser Widerspruch ließ mich nicht mehr los.
Ich begann im Internet zu recherchieren, was es bereits an Lösungen für das Problem gab. Ich fand jedoch nichts, was mich so richtig überzeugte. Deshalb fing ich damit an, selbst eine Brille zu entwickeln. Sie sollte sehr günstig sein, einfach herzustellen, robust und auch hübsch – auch arme Menschen möchten schön aussehen. Nach etlichen Experimenten und Fehlversuchen hatte ich sie dann irgendwann in der Hand, meine erste EinDollarBrille. Weil ich Helferinnen und Helfer brauchte und auch Spenden, habe ich 2012 dann mit ein paar Kolleginnen eine Organisation gegründet, den EinDollarBrille e. V. Heute habe ich rund 500 Mitarbeitende und wir sind in zehn Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika aktiv und versorgen arme Menschen mit Brillen.
Was motiviert Sie, ständig weiter zu machen?
Nach den aktuellsten Zahlen gibt es rund 950 Millionen Menschen, die eine Brille bräuchten und keine haben. Kinder können in der Schule nicht lernen, Erwachsene nicht arbeiten und für ihre Familien sorgen. Mit einer einfachen Brille kann man das Leben von einem Menschen komplett verändern. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die für die Betroffenen Großes bewirken. Mit meiner Organisation möchte ich den Ärmsten weltweit helfen, ein glücklicheres Leben zu führen.
Oft hört man Erwachsene über die Probleme jammern. Sie sagen: „Ich kann doch sowieso nichts ändern.“ Aber genau das ist falsch. Ihr könnt etwas verändern – auch im ganz großen Stil. Gibt es etwas, das euch bedrückt, wo ihr denkt „Da müsse man doch etwas tun!“, z. B. beim Klimaschutz, gegen den Hunger, für den Tierschutz? Dann sucht euch am besten im Internet erst mal eine Organisation, die sich darum kümmert und fragt einfach, ob ihr mitmachen könnt. So habe ich das am Anfang auch gemacht. Oder wenn ihr selbst eine gute Idee habt, die ihr umsetzen möchtet, dann sprecht ein paar Freunde an, ob sie mitmachen oder euch unterstützen möchten. Und dann legt einfach mal los. Ich hätte vor ein paar Jahren im Traum nicht gedacht, was ich als einfacher Mathematik- und Physiklehrer alles bewirken kann.
Die Gesellschaft, das sind wir: du, ich und andere. Also einzelne Menschen. Und auch die großen Probleme können am Ende nur von einzelnen Menschen wie dir, mir und anderen gelöst werden. Das Spannende ist: Wenn man einmal mit irgendeiner Kleinigkeit anfängt, selbst aktiv wird, dann merkt man, dass man etwas bewirken kann. Und dann macht man vielleicht eine größere Aktion, begeistert mehr Menschen mitzumachen. Ganz viele Menschen sind gerne bereit, bei einer guten Sache mitzumachen – du musst nur damit anfangen. Wer etwas unbedingt verändern will, wird es auch schaffen.