Interview mit Miriam Schwartz
Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an tatkräftig e. V.?
Das Besondere an tatkräftig e. V. ist, dass unsere Einsätze nie länger als einen Tag dauern und immer in der Gruppe stattfinden. So wird Hilfe zum Gemeinschaftserlebnis und man muss sich nicht lange fragen, ob man Zeit dafür hat – denn einen Tag kann ja jede/jeder mal entbehren. Auf diese Weise können die Freiwilligen ganz unkompliziert unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten kennenlernen, z. B. Unterkünfte für Geflüchtete, Einrichtungen für Seniorinnen und Senioren, Treffpunkte für Menschen mit Behinderung oder Umweltorganisationen. Einige entscheiden sich dann auch, sich weiterhin für die Organisation zu engagieren, in der ihr Einsatz stattfand. Aber was uns ganz wichtig ist: Jeder Einsatz macht einen Unterschied. Auch wenn es nur für einen Tag ist! Was viele Freiwillige nicht erwarten: Sie bekommen durch den Einsatz ganz viel zurück – Dankbarkeit von den Hilfeempfängerinnen und -empfängern, aber auch viele Impulse und neue Perspektiven. Man geht immer verändert nach Hause.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich selbst habe mich schon als Schülerin gern engagiert – in der Schule, in der Kirchengemeinde und privat. Seit ich denken kann, macht es mir Freude, Verantwortung zu übernehmen und Ideen umzusetzen. Nach meinem Abi habe ich in Kanada ehrenamtlich in einem Wohnprojekt für Menschen mit und ohne Behinderung gearbeitet. Ich habe erkannt, dass ehrenamtliches Engagement viele Türen öffnet, Chancen bietet, Kompetenzen fördert, Menschen zusammenbringt – und vor allem – glücklich macht! Deshalb habe ich es zu meinem Beruf gemacht, andere Menschen fürs Ehrenamt zu begeistern. tatkräftig e. V. habe ich während meines Studiums zur Nonprofit-Managerin gegründet. Der Impuls für tatkräftig e. V. kam aus der Kirchengemeinde, in die ich damals ging. Schnell wurde der Verein dann in ganz Hamburg bekannt und mittlerweile engagieren sich pro Jahr rund 1000 Freiwillige mit uns.
Was raten Sie Schülerinnen und Schülern, wenn sie ähnliche Ideen umsetzen wollen?
Mein erster Rat ist immer zu schauen, ob es etwas Ähnliches schon gibt. Wenn ja: Kontakt aufnehmen! Denn man muss das Rad ja nicht immer wieder neu erfinden. Wenn nicht: Erzählt anderen von eurem Vorhaben und sucht euch Mitstreiterinnen und Mitstreiter! Zu Dritt hat man einfach noch mehr Ideen und mehr WoManpower, wenn es an die Umsetzung geht. Und mein zweiter Rat: Lieber einfach loslegen, als monatelang den perfekten Plan ausarbeiten! Bei tatkräftig e. V. haben wir sehr früh die Einsatzstellen ins Boot geholt und ihnen von unserer Idee erzählt. Noch bevor es überhaupt eine Website gab. So stieg die Erwartungshaltung von außen und wir waren gezwungen, unser Vorhaben dann auch wirklich durchzuziehen.
Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, damit wir uns als Gesellschaft noch stärker für weniger Ungleichheiten einsetzen?
Der Philosoph Martin Buber hat einmal gesagt: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Und genau darauf kommt es an, wenn wir Ungleichheiten abbauen wollen: Wir müssen einander begegnen! Denn nur so können wir Verständnis füreinander entwickeln. Die tatkräftig-Einsätze schaffen Begegnungen: Viele Freiwillige begegnen zum ersten Mal in ihrem Leben Menschen mit Behinderung, Seniorinnen und Senioren mit Demenz, Kindern und Jugendlichen in Stadtteilen, in denen sie sich sonst nie aufhalten, Geflüchteten ... Man begibt sich auf fremden Boden, in fremde Einrichtungen. Und findet sich dann doch im Gegenüber wieder: Man spielt, isst, baut, sät, entrümpelt, buddelt, bastelt, lacht gemeinsam. Und am Ende des Tages hat man nicht mehr „den Geflüchteten" oder „die Behinderten" im Kopf, sondern einzelne Gesichter mit Namen, die man liebgewonnen hat.