Überblick
Zwischen Köln und Wesel sowie Moers und Hamm leben in der Metropolregion Rhein-Ruhr auf weniger als zwei Prozent der Fläche Deutschlands mehr als 10 Mio. Menschen, die etwa 22 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung erwirtschaften. Natur- und kulturgeographische Leitlinien bestimmen das Kartenbild: die Rheinschiene (Köln – Düsseldorf – Duisburg – Wesel), die Ruhrschiene (Duisburg – Dortmund) und die wirtschaftsgeschichtlich älteste Linie von Köln über Wuppertal ins östliche Ruhrgebiet. Diesen Linien folgte und folgt die Industrie-, Siedlungs- und Verkehrsentwicklung. Dazu im Kontrast stehen die eher ländlich geprägten Gebiete des Bergischen Landes und des westlichen Sauerlandes, wo die Siedlungs- und Industrieentwicklung in der Regel eher punktuell ist oder linienhaft den Flusstälern folgt. Einen Gegenpol zum Ruhrgebiet bilden auch der Raum links des Niederrheins mit seinen fruchtbaren und intensiv landwirtschaftlich genutzten Böden sowie die Ausläufer der Münsterländer Bucht.
Wirtschaftliche Konzentration und ihre Folgen
Die Rhein-Ruhr-Region ist bei der industriellen Wertschöpfung in Deutschland in einigen Bereichen dominierend, u. a. beim Abbau von Braunkohle auf der linksrheinischen Seite. Auch in vielen anderen Sektoren wie der Metallverarbeitung, dem Maschinenbau, der Chemie, der Elektrotechnik sowie in der verbraucherorientierten Textil- und Nahrungsmittelindustrie ist die Region überproportional beteiligt. Sie trägt aber auch die negativen Folgen der Konzentration von Industrie und Siedlung, die sich zum Beispiel im allgemeinen Landschaftsverbrauch für Siedlungs-, Industrie- und Verkehrsflächen manifestiert.
Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau
Während die Rheinschiene in der Nachkriegszeit in Bereichen wie der Chemie- und Kunststoffindustrie eine relativ kontinuierliche Entwicklung erlebte, musste sich das Ruhrgebiet infolge der Konzentration auf Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einem tiefgreifenden wirtschaftlichen Strukturwandel stellen. Dieser Anpassungsprozess dauert bis heute an, weil die einstigen Schlüsselindustrien, Steinkohlenbergbau und Stahlerzeugung, weiter an Bedeutung verloren oder ganz aufgegeben wurden.
Während die weltweite Steinkohlenproduktion in den letzten sechs Jahrzehnten stark angestiegen ist, nahm der Anteil der Ruhrgebietskohle an der Weltproduktion drastisch ab: Wurden 1955 noch etwa acht Prozent im Ruhrgebiet gefördert, waren es 2014 nur noch 0,1 Prozent. Da für die Aufrechterhaltung des Steinkohlenbergbaus im gleichen Zeitraum weit über 100 Mrd. Euro an Subventionsgeldern seitens des Bundes und des Landes NRW aufgebracht werden mussten, wurde 2006 von der Bundesregierung der endgültige Ausstieg aus der Subventionierung des Steinkohlenbergbaus bis 2018 beschlossen. Damit begann der allmähliche Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau in Deutschland. Rund 15 000 Beschäftigte waren von den Maßnahmen betroffen und mussten sozialverträglich entschädigt bzw. umgeschult werden. 2015 endete die Steinkohleförderung in Marl, 2018 in Ibbenbüren. Das letzte Steinkohlebergwerk in Bottrop wurde am 21. Dezember 2018 geschlossen.
Von den ehemals rund 30 Kokereien zur Erzeugung von Koks und Kokereigas blieben nur noch drei in Bottrop und Duisburg erhalten. In Dortmund hat die Westfalenhütte ihren letzten Hochofen 2001 stillgelegt. Damit verbleiben nur in Duisburg drei Hüttenwerke.
Strukturwandel im Ruhrgebiet
Während im Ruhrgebiet allein zwischen 1980 und 2000 rund 500 000 Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe verloren gingen, wurden im Dienstleistungssektor kontinuierlich Zuwächse verzeichnet. Gegenwärtig sind mehr als 80 Prozent im tertiären Sektor tätig.
Zwar ist die Diversifizierung der Industrie durch Betriebe der Elektronik und der IT-Branche vorangekommen, doch Unternehmen wie ThyssenKrupp in Duisburg und Essen, Bayer in Leverkusen und Ford in Köln haben stark rationalisiert und teilweise auch ihre Belegschaft im Produktionsbereich reduziert. Die Opel-Werke und das Nokia-Werk Bochum schlossen ganz.
Dagegen expandieren Klein- und Mittelbetriebe. Seit 2000 konnte der Regionalverband Ruhr zahlreiche Existenzgründungen in Bereichen wie der Energie-, Umwelt-, Informations- und Kommunikationstechnik, der Medizin, der Mikroelektronik, der Logistik und Werkstofftechnologie registrieren.
Eine wichtige Weichenstellung auf dem Weg vom Industrie- zum Wissensstandort war die Gründung neuer Technologiezentren und Forschungsanstalten. Neben den Hochschulen in Köln, Düsseldorf und Wuppertal wurden im Ruhrgebiet ab 1961 sechs Universitäten gegründet – Bochum, Dortmund, Essen, Duisburg (beide fusionierten 2003 zur Universität Duisburg-Essen), dazu die Fernuniversität Hagen sowie die Privatuniversität Witten/Herdecke. Damit ist die Rhein-Ruhr-Region die dichteste Hochschullandschaft Deutschlands. Mit ihren zahlreichen Sprech-, Musik- und Tanzbühnen, Kulturfestivals, einer großen Zahl von Museen und einer breit gefächerten Medienlandschaft ist sie zudem auch eine der bedeutendsten Kulturregionen der Welt.
In den letzten 30 Jahren wurde viel Geld investiert, um stillgelegte Berg- und Stahlwerke als Industriedenkmäler zu erhalten oder einer neuen Nutzung zuzuführen. Mittlerweile 57 Zeugnisse der industriekulturellen Vergangenheit des Ruhrgebietes bilden die „Route der Industriekultur“. In der Gaskraftzentrale eines ehemaligen Bochumer Stahlwerks entstand mit der „Jahrhunderthalle Bochum“ ein kultureller Veranstaltungsort von überregionaler Bedeutung, auf dem Gelände der Hütte Duisburg-Meiderich wurde der Landschaftspark Duisburg-Nord aufgebaut. Der Gasometer in Oberhausen dient heute als Ausstellungshalle. Der Industriekomplex Zollverein Essen beispielsweise, ist seit 2002 Teil des Weltkulturerbes der UNESCO. Unter dem Stichwort „Ruhr.2010” präsentierte sich das Ruhrgebiet 2010 als Europäische Kulturhauptstadt. Den Weg für diese Entwicklung ebnete als gemeinsames „grünes Band“ der Emscher Landschaftspark (s. 75.2).