Überblick
Bis Mitte der 1960er-Jahre war das Zentrum der Île-de-France, der Kernlandschaft des Pariser Beckens, von einem kaum kontrollierten Ausufern der französischen Hauptstadt gekennzeichnet. Als dessen Hauptachsen dienten die Verkehrswege, wie sich an der Verteilung der Siedlungs- und Freiflächen erkennen lässt. Erst durch den Raumordnungsplan von 1965 wurden strategische Grundsätze für die städtebauliche Entwicklung der Region Paris festgelegt.Zur Entwicklung der Agglomeration Paris
Charakteristisch für die Innenstadt und Agglomeration Paris sind Ringstrukturen. Der innere Boulevardring wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt, gleiches gilt für das darin erkennbare Achsenkreuz von Rue de Rivoli und Boulevard de Sébastopol. Der äußere Boulevardring, der „Boulevard Périphérique“, ist ein Autobahnring, der 1973 fertiggestellt wurde und das Département Ville-de-Paris umgrenzt. Die A104 („La Francilienne“) bildet einen dritten Autobahnring um den Großraum Paris, befindet sich im Westen noch im Ausbau.
Das Wachstum des Agglomerationsraums Paris vollzog sich in verschiedenen Phasen. In der ersten entstanden rund um das Zentrum unmittelbar angrenzende Vororte, die sich mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert zu Arbeitervierteln entwickelten.
Das Wachstum im Gebiet zwischen dem Boulevard Périphérique und dem geplanten dritten Autobahnring („Banlieue Extérieure“) setzte dagegen verstärkt erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein und war wesentlich durch den Raumordnungsplan von 1965 gelenkt. Zu den dringlichsten Zielen des Raumordnungsplanes zählten die Entlastung des Zentrums durch Verlagerung der Industrie in die Außenbezirke und die Konzentration von Tertiärfunktionen im Innenstadtbereich; die traditionelle Hauptachse der Stadtentwicklung, die Seine, sollte durch zwei Parallelachsen im Norden und Süden des Agglomerationsraums entlastet werden. Um die Verkehrsverbindungen zu verbessern, wurden eine Reihe neuer Verkehrsträger projektiert, darunter Straßen, Bahnlinien, insbesondere aber das S-Bahn-Netz (RER). Gleichzeitig wurden „Zones Naturelles d‘Equilibre“ (Z.N.E.) als Erholungs- und Freizeiträume ausgewiesen. Nicht zuletzt wurde die Errichtung einiger multifunktionaler Planungsstädte beschlossen. Fünf dieser 20 bis 30 Kilometer vom Zentrum entfernt liegenden „Villes Nouvelles“ wurden nach britischem Vorbild („New Towns“) schließlich realisiert: Cergy-Pontoise, Saint-Quentin-en-Yvelines, Marne-la-Vallée, Évry und Sénart.
Ausschlaggebend für die Konzeption der Planstädte waren Prognosen, die für die Pariser Region, in der damals rund sieben Millionen Menschen lebten, eine Verdoppelung der Bevölkerung bis 2000 ermittelten (was nicht eintrat). In den „Villes Nouvelles“ sollten etwa zwei Millionen Menschen Wohnung und Arbeit finden. Dieses ambitionierte Ziel wurde nie erreicht; tatsächlich leben in allen zusammen zirka eine Million Menschen. Da die „Villes Nouvelles“ für große Teile ihrer Bevölkerung lediglich Wohnfunktion haben, mussten große Anstrengungen zum Ausbau des Verkehrsnetzes unternommen werden, um die täglichen Pendlerströme zu bewältigen. Parallel zu den Villes Nouvelles wurden in den 1960er und 1970er Jahren insbesondere im Norden und Osten von Paris Großwohnsiedlungen errichtet, die heute den Wesenskern der „Banlieue“ bilden, überwiegend Bevölkerung mit Migrationshintergrund (in erster Linie aus ehemaligen französischen Kolonien) aufnehmen und sozial und wirtschaftlich schlecht gestellt sind.
Wie auf dem Kartenausschnitt gut zu sehen ist, ist eine großräumige Umgehung von Paris für den Fernverkehr bislang kaum möglich. Sämtliche Autobahnen und Fernstraßen führen direkt bis an den Rand der Innenstadt, was zu bestimmten Tageszeiten zu großen Verkehrsproblemen führt. Auch die beiden internationalen Großflughäfen Paris-Charles de Gaulle und Paris-Orly liegen vergleichsweise dicht am Zentrum. Im Hochgeschwindigkeitsnetz der französischen Bahn (TGV) nimmt Paris eine zentrale Stellung ein. Von mehreren Kopfbahnhöfen aus sind große Teile des Landes innerhalb weniger Stunden erreichbar (s. 135.2).
Zu den markanten Orten des Agglomerationsraums zählt die Bürostadt La Défense. Das Viertel ist Sitz zahlreicher Unternehmen und gilt als Europas größter Bürostandort, hat aber wegen der teilweise in die Jahre gekommenen Bausubstanz und hoher Immobilienpreise mit Abwanderungstendenzen zu kämpfen. Um diesen Problemen zu begegnen, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen durchgeführt, wie die Renovierung der alten Bausubstanz oder auch die Verbesserung der Anbindung, was bereits zu einem Rückgang der Leerstandsquote führte.
Auf dem Gebiet der Ville Nouvelle Marne-la-Vallée liegt Disneyland Paris mit zwei Themenparks, Golfplätzen, Hotels sowie Wohn- und Geschäftsvierteln. Südwestlich der Stadt liegen das Schloss und der Park von Versailles. Mit einem jährlichen Besucheraufkommen von rund 15 Millionen Menschen zählt es zu den beliebtesten Tourismuszielen weltweit.
Wirtschaftliche Stellung und aktuelle Entwicklung
Die Metropolregion Paris ist heute unangefochten das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Frankreichs. Mit einer Bevölkerungszahl von 10,9 Mio. (2020) beherbergt sie rund ein Sechstel der französischen Bevölkerung, gleichzeitig ist sie das bedeutendste Industrie- und Dienstleistungszentrum des Landes.
Seit Beginn des neuen Jahrtausends stagniert die Bevölkerung im Innenstadtbereich (Ville de Paris) auf einem Niveau von rund 2,1 Mio. Menschen (Stand 2020), während die Metropolregion seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen Zuwachs verzeichnet (vgl. Diagramm 133.4). Das Metronetz, eines der größten weltweit, wurde in den letzten Jahrzehnten ständig durch neue U- und S-Bahn-Linien, Straßenbahnen und Buslinien ergänzt, um den Nahverkehr für Millionen Menschen sicherzustellen. Um den Nahverkehr zu entlasten, wurde überdies 2007 ein flächendeckendes Netz aus öffentlichen Fahrradleihstationen eröffnet und durch einen konsequenten Ausbau des Radwegenetzes unterfüttert. Die Durchführung der Olympischen und Paraolympischen Spiele im Sommer 2024 verlieh der Stadt und ihrem Ballungsraum einen neuen Schub, selbst wenn vor allem auf die Nutzung und Ertüchtigung der bestehenden Sportinfrastruktur gesetzt wurde. Bleibende Projekte sind aber die verbesserte Wasserqualität der Seine, das auf drei Standorte verteilte olympische Dorf (zukünftig 2 500 Wohnungen) und das Projekt „Grand Paris Express“, der Ausweitung des Metronetzes in die Banlieue bis ins Jahr 2040 (Verdopplung von 220 auf 440 km).