Afrika und Eurasien - Chinas neue Seidenstraßen

Afrika und Asien - Wirtschaft und Geopolitik
978-3-14-100900-2 | Seite 170 | Abb. 2| Maßstab 1 : 72000000

Überblick

Das neue Seidenstraßenprojekt wird seit den 2000er-Jahren von der chinesischen Regierung gefördert. Es handelt sich dabei um ein Prestigeprojekt, das die wirtschaftliche Zusammenarbeit Chinas mit Partnerländern unterstützen soll und in zwei Bereiche gegliedert ist, zum einen die Landwege nach Norden, der sogenannte „Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel“, und zum anderen die Seewege nach Süden, die sogenannte „Maritime Seidenstraße“. Insgesamt zielt die Belt and Road Initiative (BRI) darauf ab, einen eurasischen Wirtschaftsraum zu schaffen, der sich vom Gelben Meer bis zum Atlantik erstreckt und auch Afrika einschließt.

Transportwege

Ab Peking verbinden Eisenbahnlinien China mit Europa. Diese führen an großen Ballungsräumen wie Tianjin, Shanghai, Xi'an, Ürümqi, Almaty, Taschkent, Teheran, Istanbul, Budapest, Moskau, Berlin und dem Ruhrgebiet vorbei. Der Hauptbahnhof ist Duisburg, der mit Rotterdam problemlos an die Ballungsräume Paris, London und Randstad angebunden ist. Darüber hinaus sind die wichtigen politischen und wirtschaftlichen Zentren Ulan-Bator, Bangkok, Singapur, das Perlflussdelta, Dhaka, Kalkutta, Islamabad, Lahore, Karatschi und Samara über zusätzliche Landentwicklungskorridore verbunden. Die Routen durchqueren hauptsächlich Staaten, die Mitglieder der Asian Infrastructure Investment Bank sind. Diese multilaterale Entwicklungsbank mit Sitz in Peking wurde 2015 unter chinesischer Führung gegründet. Auslöser für die Gründung war Chinas Unzufriedenheit mit der Dominanz der USA in der Weltbank und im Internationalen Währungsfonds, die aus Sicht Chinas keine gerechte Machtverteilung widerspiegelt.
Die Seewege verbinden vor allem das Perlflussdelta mit Südostasien über das Südchinesische Meer (daher die Bedeutung der Spratly-Inseln, s. 171.4) und dann weiter über den Indischen Ozean mit Afrika, der Arabischen Halbinsel sowie über das Rote Meer und das Mittelmeer mit Europa. Diese Schifffahrtsrouten verbinden auch Kuala Lumpur, Kalkutta, Colombo, Gwadar, Daressalam, Mombasa, Dschibuti, Suez, Athen und Venedig, die alle Häfen mit direkten chinesischen finanziellen und technischen Investitionen sind.

Fortschritt der Arbeiten

Die „Belt and Road“-Initiative wurde 2013 ins Leben gerufen und umfasst etwa 70 Länder, etwa 60 Prozent der Weltbevölkerung und einen Investitionsrahmen von bis zu 1 000 Milliarden Euro. Erste Arbeiten begannen bereits 2005 mit der Sanierung und Erweiterung des bestehenden Streckennetzes. Häfen, Containerterminals, Straßen, Schienenverbindungen, Brücken, Logistikzentren und Handelszentren werden erweitert oder neu gebaut. Schätzungen zufolge könnte der Handel entlang der BRI in Zukunft fast 40 Prozent des Welthandels ausmachen, ein Großteil davon auf dem Seeweg. Eine Eisenbahnverbindung (10 870 km) zwischen Rotterdam und der ostchinesischen Hafenstadt Lianyungang besteht bereits seit 1990. Seit 2012 verkehren regelmäßig mehrmals wöchentlich Güterzüge zwischen Duisburg und Chongqing.
Auch der Bau von Überlandstraßen seit den 1950er-Jahren führte zur Entdeckung von Ölvorkommen, erschloss abgelegene und unwirtliche Regionen und förderte deren Einbindung in supranationale Netzwerke. Auch der Tourismus wurde wiederbelebt.
In Europa haben besonders die Häfen Triest, Piräus und Venedig profitiert, auch wenn Venedig kein Tiefseehafen ist. Die trimodale Anbindung von Häfen an Eisenbahnlinien und Autobahnen ist wichtig, da sie die innereuropäischen Verbindungen zwischen den Regionen verbessert. Im Hafen von Triest hat sich die Zahl der abfahrenden Güterzüge zwischen 2015 und 2018 auf rund 10 000 verdoppelt. Seit der Covid-19-Pandemie wurden solche Zahlen allerdings nicht mehr erreicht. Die Hauptziele dieser Güterzüge sind Österreich, Deutschland, Luxemburg, Belgien, Ungarn, die Slowakei und die Tschechische Republik.

Gegenwind für das Seidenstraßenprojekt

Die BRI wird durch die Verbindung von Asien, Europa und Afrika, durch die Vernetzung weltweiter Forschungsaktivitäten, durch die Stabilisierung der Grenzen zu anderen zentralasiatischen Staaten und durch die Erschließung des westlichen Teils Chinas mit der autonomen Provinz Xingjang neue globale Wachstumsimpulse setzen. Allerdings gibt es auch zunehmend Kritik an dem Prestigeprojekt, das vom chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping stark vorangetrieben wird. Es wird kritisiert, dass das Großprojekt chinesische Überkapazitäten abbauen soll, Chinas Rolle auf den internationalen Märkten zu groß wird, das versteckte Ziel darin besteht, den Zugang zu Rohstoffen zu sichern, Umwelt- und Sozialstandards, Menschen- und internationale Rechte nicht auf BRI-Projekte angewendet werden. Auch die Ausschreibungen waren nicht transparent und fair, etwa 9 von 10 Aufträgen wurden an chinesische Unternehmen vergeben, die vom Staat subventioniert werden. Darüber hinaus gab der chinesische Verteidigungsminister im Juli 2019 bekannt, dass die Initiative „One Belt, One Road“ um militärische Zusammenarbeit erweitert wird. Zudem gibt es auf chinesischer Seite eine klare Präferenz für bilaterale Abkommen gegenüber einem multilateralen Ansatz, wie er von der EU gefördert wird. Das setzt die Regierungen unter Druck und schwächt den Zusammenhalt in der EU. Peking unterstützt andere Länder beim Aufbau von Infrastruktur durch Kredite und Investitionen, doch es drohen eine Schuldenfalle und zunehmende Abhängigkeiten.
Staatsoberhäupter warnen zunehmend vor einer zu großen Abhängigkeit von China. Darüber hinaus haben die Folgen der Covid-19-Pandemie Projekte der Neuen Seidenstraße stark gebremst, da ärmere Partnerländer in Asien und Afrika (z. B. Pakistan, Kenia) in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind. China muss nun möglicherweise die Laufzeit von Krediten verlängern und/oder Projekten längere Laufzeiten geben.

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Diercke

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