Aletschregion - Gletscherschwund

Schweiz - Vergletscherung
978-3-14-100919-4 | Seite 28 | Abb. 2| Massstab 1 : 200000

Überblick

Die Gletscher der Alpen sind wichtige Indikatoren für den Klimawandel. Sie prägen das Landschaftsbild und beeinflussen die Wasserversorgung in den Alpenregionen. Veränderungen der Gletscherstände lassen sich über lange Zeiträume hinweg beobachten und liefern wertvolle Erkenntnisse über klimatische Entwicklungen und ihre Konsequenzen für Natur und Mensch. Die Zukunft dieser Eisflächen steht im Zeichen der globalen Erwärmung, die ihr Schmelzen beschleunigt und weitreichende Auswirkungen auf die Umwelt und die Nutzung natürlicher Ressourcen hat.

Aletschgletscher: Ursprung und historische Höchststände

Die Karte zeigt die Veränderung der Gletscherstände in der Aletschregion seit 1850. Im Zentrum steht dabei der Grosse Aletschgletscher, mit 20 km der längste Alpengletscher (Stand 2024). Er weist mit bis zu 900 m die mächtigste Eisdecke auf, er hat die grösste Oberfläche (78 km², Stand 2017) und das grösste Eisvolumen aller Alpengletscher. Der Ursprung des Grossen Aletschgletschers liegt auf 3 800 m. ü. M. am sogenannten Konkordiaplatz, wo drei Firnfelder zusammenfliessen. Die Eismassen bewegen sich auf dieser Höhe mit einer Geschwindigkeit von 200 m pro Jahr. Die Eisflächen des Grossen Aletschgletschers und seiner Zuflüsse liegen südlich des Hauptkammes im Einzugsgebiet der Rhone. Im Norden und Nordosten des Hauptkammes befinden sich die Gletscher des Einzugsgebiets der Aare (z. B. Oberaar- und Unteraargletscher) und ihrer Zuflüsse. Seit 2001 gehört die Landschaft rund um den Grossen Aletschgletscher zum Weltnaturerbe der UNESCO.
Der Grosse Aletschgletscher stiess vor 11 000 Jahren noch bis ins Rhonetal hinunter. Den letzten Höchststand erreichte der Gletscher um 1860 am Ende der sogenannten „Kleinen Eiszeit“, einer Phase zwischen dem 14. und dem 19. Jahrhundert mit deutlich kühleren Durchschnittstemperaturen. Um 1860 war der Grosse Aletschgletscher 3 km länger und der Gletscherrand lag rund 200 m höher als heute.

Einfluss der globalen Erwärmung

Die globale Erwärmung seit der Industrialisierung hatte starke Auswirkungen auf die Alpengletscher. Die Sommertemperaturen blieben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eher tief. Gleichzeitig nahmen aber die Niederschläge ab, was eine erste Ursache für den Rückgang der Alpengletscher war. Nach 1900 waren die steigenden Sommertemperaturen der Hauptgrund für das Abschmelzen der Gletscher. Dieser Prozess verlief aber nicht linear, bis 1940 war der Rückgang noch begrenzt, zwischen 1940 und 1950 verstärkte er sich. Zwischen 1950 und 1980 waren die Temperaturen relativ stabil, was den Rückzug der Alpengletscher verzögerte. In den 1970er Jahren konnten einige Gletscher kurzzeitig noch anwachsen. Der Untere Grindelwaldgletscher stiess um 1980 bis auf eine Höhe von 1 090 m ü. M. vor. Der Grosse Aletschgletscher reagierte aber wegen seiner grossen Masse kaum. Seit 1980 verlieren die Gletscher im Alpenraum stärker an Länge und Volumen, bedingt durch die Erhöhung der Lufttemperaturen im Zusammenhang mit der globalen Klimaerwärmung. Zwischen 1980 und 2000 verloren die Alpengletscher 20 bis 30 % ihrer Masse; und allein im extrem heissen Sommer 2003 betrug der Eisverlust der Schweizer Gletscher rund 7 %. Der Grosse Aletschgletscher schrumpft jährlich um zu 50 bis 80 m. Neben der Temperatur und den Niederschlägen bestimmen aber auch Faktoren wie die Höhenlage, die Neigung, Orientierung und die Mächtigkeit der Eismassen das Verhalten der einzelnen Gletscher.

Zukunftsprognosen für die Aletschregion

Laut Prognosen werden im 21. Jahrhundert grosse Teile der Gletscher in der Aletschregion wegschmelzen. Viele dieser Gletscher werden wahrscheinlich um 2050 verschwunden sein. Abhängig vom jeweiligen Klimaszenario könnte der grosse Aletschgletscher bis zum Jahr 2100 auf 50 % oder weniger als 10 % des heutigen Gletschervolumens zusammenschrumpfen und sich auf die Firnmulden beim Konkordiaplatz konzentrieren. Die hochalpine Landschaft wird ohne Gletscher karger aussehen, geprägt durch Schuttmassen und Schmelzwasserseen. Diese Entwicklungen können das Potenzial von Naturgefahren erhöhen. Längerfristig wird auch das grosse Süsswasserreservoir Alpen gefährdet, und die Möglichkeiten der Wasserkraftnutzung werden reduziert. Um das anfallende Schmelzwasser auffangen zu können, müssten neue Staudämme errichtet werden, was zu Eingriffen in das Landschaftsbild führt.

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