Überblick
Die Karte zeigt bauliche Spuren des keltischen Oppidums aus dem 1. Jh. v. Chr. und des römischen Legionslagers Vindonissa aus dem 1. Jh. n.Chr. mit den zugehörigen antiken Infrastrukturen. Die Anlagen liegen auf einem Geländesporn zwischen Aare und Reuss rund zwei Kilometer oberhalb des Zusammenflusses der beiden Gewässer. Die im Hintergrund liegende Karte zeigt die aktuelle Bebauung, die Grünflächen, den Friedhof, Kleingärten, Wald sowie die Strassen und die Eisenbahn. Die archäologischen Funde liegen auf dem Gebiet der heutigen Gemeinden Windisch, Brugg, Hausen und Gebenstorf. Wo zur Zeit der Römer das Legionslager stand, befinden sich heute unter anderem die Gebäude des ehemaligen Klosters Königsfelden (bekannt für seine Glasmalereien aus dem 14. Jh in der gotischen Klosterkirche).Keltisches Oppidum
Über das kleine keltische Oppidum von Windisch ist bislang wenig bekannt. Aufgrund der imposanten Pfostenschlitzmauer, deren Verlauf auf einer Länge von rund 400 Metern weitgehend rekonstruierbar ist, und des steil gegen Aare und Reuss abfallenden Plateaus kann eine Siedlungsfläche von etwa vier Hektar angenommen werden. Da das Areal später mit dem römischen Legionslager bebaut wurde, sind nur sehr wenige Funde aus der keltischen Zeit vorhanden. Bis heute ist eine Bebauung in mehreren Phasen belegt, wobei auch von vielen ungenutzten Arealen innerhalb des Oppidums ausgegangen wird. Die Entdeckung einer rund acht Meter breiten Strasse und eines Platzes lassen vermuten, dass dem Areal eine übergeordnete Organisation zugrunde lag. Westlich der Pfostenschlitzmauer wurde bei einer Grabung eine Nekropole aus spätkeltischer Zeit entdeckt. Dieser Bestattungsplatz ausserhalb der Siedlung umfasst rund 20 Bandgräber. Da diese Stätte nachweislich durch spätere, römische Bauten gestört wurde, kann davon ausgegangen werden, dass nach Ankunft der römischen Truppen die keltische Siedlungsgestalt grundlegend neu geordnet wurde. Noch nicht restlos geklärt sind die Fragen nach der Funktion und der genauen Datierung des Oppidums. Vielleicht ist die Siedlung erst in der zweiten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. gebaut worden, also nach der Unterwerfung der Helvetier durch die Römer 58 v. Chr. (siehe Erläuterungen zu Karte 30.2). In diesem Fall stellt sich die Frage, ob der Bau einer keltischen Siedlung mit einer so auffällig grossen Befestigungsanlage durch die Römer überhaupt erlaubt worden wäre. Vielleicht hatte die Befestigungsanlage jedoch auch eher repräsentativen Charakter und wurde so durch die römische Besatzung gebilligt. Ähnliche Situationen sind von Oppida in Frankreich bekannt, die erst nach dem Sieg Julius Cäsars über die Gallier erbaut wurden.Römisches Legionslager Vindonissa
Der genaue Zeitpunkt der Errichtung eines römischen Legionslagers in Windisch ist nicht bekannt. Wahrscheinlich hat das römische Heer während des Alpenfeldzugs um 15 v. Chr. an der strategisch bedeutenden Stelle beim Zusammenfluss von Aare und Reuss einen Militärposten errichtet. Hier konnten die Verkehrswege Richtung Norden und Süden kontrolliert werden. Im frühen 1. Jh. n. Chr. wurde der Militärposten zu einem Legionslager ausgebaut. Vindonissa wurde somit eines von mehreren Lagern, welche die neu eroberten römischen Gebiete westlich und südlich des Rheins sichern sollten. Nach mehreren Umbauten und Erweiterungen (das Lager wurde zunächst hauptsächlich aus Holz und Lehm, erst später aus Stein errichtet) präsentierte sich die Anlage gegen Ende des 1. Jh. n. Chr. wie folgt: Die Fläche des Lagers betrug rund 20 Hektar und war somit um ein Vielfaches grösser als das vorherige keltische Oppidum. Der Grundriss war polygonal und passte sich den topografischen Begebenheiten auf dem Geländesporn zwischen Aare und Reuss an. Der fast 2 km lange, ursprünglich aus Holz und Erde errichtete Wall wurde nach 72 n. Chr. durch eine etwa 3,6 m breite, mit massiven Toren und Türmen sowie einem vorgelagerten Graben versehene Lagermauer ersetzt. Innerhalb der Mauer wurde weitgehend das allgemeine Schema der römischen Militäranlagen übernommen. Einige Abweichungen von diesem Prinzip sind auf die topografischen Begebenheiten und den polygonalen Grundriss zurückzuführen. Im Lager waren bis zu 6 000 Soldaten mit ihren Familienangehörigen stationiert. Durch archäologische Grabungen weiss man heute Bescheid über die Funktion einiger Gebäude. So konnten beispielsweise das Zentralgebäude (principia), die Lagerthermen, mehrere Speichergebäude und Werkhallen, ein heiliger Bezirk (area sacra) mit Tempel, der Palast des Legionskommandanten (praetorium), die Wohnhäuser der Stabsoffiziere sowie eine Vielzahl von Mannschaftsbaracken für die Legionäre (centuriae) lokalisiert werden. Eine Hauptstrasse (via principalis) durchquerte das Lager von Westen nach Osten. Sie teilte das Areal in einen grösseren nördlichen und einen kleineren südlichen Bereich. Eine weitere Strasse (via decumana) führte von Süden nach Norden durch das Lager. Von den vier Toren sind bis heute alle ausser das Osttor entdeckt worden. Von besonderer Bedeutung für die Archäologie ist der Schuttkegel am Aareufer nördlich der Lagermauer. Hier handelt es sich um eine römische Abfallhalde, wo unter anderem Bauschutt deponiert wurde. Dank der feuchten Umgebung wurden zahlreiche Objekte besonders gut konserviert, so dass sie heute der Forschung zugänglich sind.Die Umgebung des Legionslagers mit der Zivilsiedlung
Das Legionslager stand nicht isoliert in der Landschaft. Im Westen, Süden und Osten bildete sich eine zivile Siedlung, die von der Präsenz des Militärs profitierte. Ihre Einwohnerzahl wird gegen Ende des 1. Jh. n. Chr. auf rund 10 000 geschätzt. Funde lassen auf zahlreiche Handwerksbetriebe schliessen. Zudem verfügte die Siedlung über mehrere Tempel, Thermen, einen grossen viereckigen Bau, der als Forum diente, sowie ein Amphitheater, dessen Reste heute besichtigt werden können. Eine grosse Mauer an der Reuss östlich des Lagers dürfte als Schiffsanlegestelle gedient haben.
Das Trinkwasser für das Lager wurde im Gebiet der heutigen Gemeinde Hausen gefasst und dann über zwei (unterschiedlich alte) gemauerte Wasserleitungen durch die zivile Siedlung zum Lager geführt. Teile der einen Wasserleitung sind heute noch in Betrieb und sichtbar. An den Ausfallstrassen wurden Gräberfelder angelegt. Bis heute sind über 700 Gräber von Soldaten und Zivilpersonen bekannt.
Durch die Ausdehnung des römischen Einflussgebiets in Richtung Norden (Eroberungen in Südwestdeutschland Ende des 1. Jh. n.Chr.) lag Vindonissa nicht mehr im Grenzgebiet des römischen Reichs. Es verlor dadurch allmählich seine Bedeutung als Stützpunkt zur Sicherung der Grenzen. Dies hatte den Abzug des Militärs und dadurch die Rückbildung Vindonissas zu einer einfachen Strassensiedlung zur Folge.
Heute sind nur die Reste des West- und das Nordtors sowie die Thermen und das Amphitheater unter besonderen gesetzlichen Schutz gestellt. Die grosse Bautätigkeit in der Region Windisch hat zur Folge, dass viele weitere Zeugnisse des Legionslagers und der zivilen Siedlung verloren gehen. Zahlreiche Funde aus verschiedenen Grabungen sind im Vindonissa-Museum in Brugg ausgestellt.