Überblick
Die Karten 55.3 und 55.4 zeigen das Transportvolumen im Gütertransport auf der Strasse bzw. auf der Schiene in Millionen Tonnen pro Jahr. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind die beiden Karten stark generalisiert. Auch wenn, bedingt durch das so ungleichgewichtige Güteraufkommen, unterschiedliche Schwellenwerte die direkte Vergleichbarkeit erschweren, so zeigt sich bei der Betrachtung dennoch deutlich, dass der Gütertransport auf der Strasse in Mitteleuropa generell wesentlich grösser ist als auf der Schiene. In den meisten europäischen Ländern werden die Güter vorwiegend auf der Strasse befördert. Dies gilt vor allem für die westeuropäischen Staaten, weniger für die Schweiz und die osteuropäischen Länder.Historische Ausbildung des Fernverkehrsnetzes
Hinsichtlich der Strukturierung des Fernverbindungsnetzes der Strasse wie der Bahn lassen sich drei Phasen unterscheiden:
1.) Bis zur Zweiteilung Europas in einen westlichen und östlichen Block nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielten die West-Ost-Verbindungen eine wichtige Rolle im europäischen Fernverbindungsnetz, insbesondere die Achse vom Rhein-Ruhr-Raum über Hannover und Berlin weiter nach Osten, die Strecke im dichtbesiedelten deutschen Mittelgebirgsraum von Frankfurt über Erfurt und Dresden nach Breslau und Krakau und der „Donau-Korridor“.
2.) Die Errichtung des „Eisernen Vorhangs“ zerriss jedoch das organisch gewachsene Verkehrsnetz Mitteleuropas und hob die Funktion Deutschlands und Österreichs als Verkehrsdrehscheibe auf. Gleichzeitig führte die Einbindung Westdeutschlands in das westliche Bündnissystem und die Konstituierung der Europäischen Gemeinschaft (jetzt EU) zu einem verstärkten Ausbau der nord-süd-gerichteten Verkehrsadern. In diesem Zusammenhang wurde der Ausbau der alpenquerenden Verbindungen zwischen den EU- und NATO-Partnern (West-)Deutschland und Frankreich sowie Italien immer bedeutsamer.
3.) Durch die Wiedervereinigung Deutschlands und die Öffnung der Ostgrenzen änderten sich neuerlich die Verkehrsrelationen: Zwar blieb der Nord-Süd-Verkehr auf hohem Niveau erhalten, die kapazitätsmässig auf die geänderten Verhältnisse noch nicht ausreichend ausgerichteten West-Ost-Fernverbindungen erlangten jedoch immer stärkere Bedeutung.
Europäische Fernautobahnen
So mussten die Verkehrsplaner wieder Lösungen für eine Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) suchen. Im September 1992 votierte das Schweizer Stimmvolk deutlich für den Bau einer neuen Gotthard-Eisenbahnstrecke zwischen Arth-Goldau und Lugano (125 km). Kernstück dieser Strecke bilden die Basistunnel am Gotthard (ca. 57 km) mit einer Scheitelhöhe von nur 550 m und am Monte Ceneri (ca. 15 km). Die Linienführung entspricht einer Flachbahn mit den Vorteilen einer Hochleistungsstrecke. Der Gotthard-Basistunnel konnte 2016 in Betrieb genommen werden. Er ist zurzeit der längste Eisenbahntunnel der Welt. Der Ceneri-Basistunnel wurde Ende 2020 dem Verkehr übergeben.
Der Gotthard-Basistunnel führt zu rund 85 % durch kristallines Gestein, das Tunnelbauer als günstig bezeichnen. Bohrtechnisch besonders anspruchsvoll waren zwei Bereiche: die schmalen Zonen des Tavetscher Zwischenmassivs (Tavetsch-Decke) und der Piorazone.
Die altkristalline Tavetsch-Decke setzt sich wechselweise aus steilstehenden, harten Gneisen und weichen Phylliten und Schiefern zusammen.
Die Piorazone besteht aus stark metamorph überprägten Sedimenten, v. a. zuckerförmiger, wassergesättigter Dolomit. Diese mesozoischen Ablagerungen (245 – 50 Millionen Jahre) wurden bei der alpinen Gebirgsbildung zwischen den Massiven eingeklemmt und deformiert. Ergebnisse von Sondierbohrungen konnten die frühere Befürchtung, dass der zuckerförmige Dolomit mit seinem hohen Wasserdruck bis auf den Basistunnel herabreichen könnte, nicht bestätigen; unterhalb von 600 m ü. M. (also im Bereich des Basistunnels) bestand die Zone aus trockenem und festem Dolomit-Anhydrit-Gestein. Die grosse Länge des Basistunnels zwang die Tunnelbauer zu gleichzeitiger Bohrung an verschiedenen Stellen. Die sogenannten Zwischenangriffe von Amsteg, Sedrun und Faido verkürzten die Bauarbeiten entsprechend. Die ganze Tunnelstrecke wurde in fünf Abschnitte eingeteilt, die mit unterschiedlichen Tunnelbaumethoden angegangen wurden.
Die Zeitersparnis durch Gotthard- und Ceneri-Basistunnel beträgt auf einer Bahnfahrt von Zürich nach Mailand über eine Stunde. Die alten Bahnstrecken sind im Nahverkehr auch noch in Betrieb und erfreuen sich durch ihre kühnen Tunnel- und Brückenanlagen sowie die Ausblicke ins Tal grosser touristischer Beliebtheit.