Überblick
Der Kartenausschnitt bildet im Wesentlichen die Mitte und den Süden Frankreichs sowie Spanien und Portugal, Italien, die Alpenländer, Ungarn und fast das gesamte ehemalige Jugoslawien ab. Raumprägend in Südwest- und Südeuropa ist die Küstenorientierung von Besiedlung, Wirtschaftsstandorten und Verkehrslinien (z. B. Lagune von Venedig und Podelta, Karte 112.3). Sie wird nur ausnahmsweise von Agglomerationsräumen im Binnenland (Madrid, Paris, Toulouse) oder Entwicklungsachsen wie dem Rhônetal und der Poebene aufgehoben. Hinzu kommen die Räume auf der Iberischen Halbinsel entlang des Guadalquivir, Ebro und Tejo (Tajo).
Charakteristisch für Süd- und Südwesteuropa sind sozio-ökonomische Disparitäten. Sie zeigen sich etwa in Portugal (zwischen den Küstenstädten Lissabon und Porto sowie den inneren Landesteilen), in Frankreich (zwischen dem Küstentiefland um Montpellier und dem Zentralmassiv) oder in Italien zwischen der Poebene und dem Süden („Mezzogiorno“).
Sektorale Unterschiede in der Industrie führen zu fragmentierten Raumstrukturen. Zu erkennen sind sie z. B. am Gegensatz zwischen modernen Wachstumsindustrien in einigen Regionen und schrumpfenden „Altindustrien“ mit deutlichen Strukturproblemen. Ergänzt werden diese Standortmuster von räumlich scharf begrenzten hochtechnisierten Agrarräumen und Zielorten des Massentourismus, etwa an der spanischen Mittelmeerküste.
Landwirtschaft
Der Anteil der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich reduziert, ist aber in den Ländern der Region im Vergleich zu West- und Mitteleuropa vergleichsweise hoch. Frankreich, Italien und Spanien sind wichtige Exporteure von Agrargütern und verarbeiteten Lebensmitteln. Der Stellenwert der Landwirtschaft ist in Regionen wie El Ejido (Andalusien, s. Karte 109.3) am grössten, wo stark industrialisierte Anbaumethoden eine künstliche Landschaft mit Hightech-Merkmalen haben entstehen lassen.
Weizen, Wein, Zitrusfrüchte, Ölbäume, Obst und Gemüse werden in Gebieten angebaut (z. B. Huerta von Murcia, Karte 109.2), die eine Sommertrockenheit von vier bis sechs Monaten aufweisen. Stark differenzierend wirkt das Relief: Oft sind nur schmale Küstenebenen, Beckenlandschaften und die Täler der grossen Flüsse Gunsträume. Geringe Bodenwertigkeit führt zusammen mit der oft starken Reliefenergie und dem klima- und substratbedingten Wassermangel in weiten Teilen Südwesteuropas zu einer eher extensiven Agrarwirtschaft. Traditionelle Bewirtschaftungsformen tragen allerdings vielerorts zum Erhalt von Kulturlandschaften bei. Die Klimaerwärmung, die starke Inanspruchnahme von Grundwasserreserven und Ableitung von Fliessgewässern verstärken vor allem in Spanien die natürliche Wasserknappheit.
Bergbau und Energierohstoffe
Die Länder Südwesteuropas verfügen über nur wenige Rohstofflagerstätten. Selbst Italien mit seiner Erdgasförderung deckt seinen Bedarf nur zu einem geringen Teil aus eigenen Feldern. Der überwiegende Teil der Energierohstoffe wird importiert, etwa aus Westasien und Nordafrika. Darauf weisen Pipelines im und am Mittelmeer sowie die zahlreichen Raffineriestandorte an den Küsten hin, wo importiertes, auf dem Seeweg herantransportiertes Erdöl verarbeitet wird.Industrie
Gijón und Bilbao in Nordspanien sind traditionsreiche Standorte der Montanindustrie. Zwar hat die Branche, ähnlich wie in vielen anderen Altindustrieräumen Europas auch, Einbrüche hinnehmen müssen, sie ist aber weiterhin ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor der Region. Hinzu kommen mehrere Standorte der Aluminiumverhüttung. Relativ junge Standorte der Stahlerzeugung, die vom Staat mit raumordnungspolitischen Zielen initiiert wurden, sind Fos-sur-Mer in Frankreich und Tarent in Italien.
Der Kraftfahrzeugbau ist in Norditalien, dem Osten Spaniens, der Region Paris und der Burgundischen Pforte regional konzentriert. Die spanischen Standorte Martorell und Pamplona sind in den Volkswagen-Konzern (Seat, Audi) integriert, Madrid und Vigo gehören zum Stellantis-Konzern (bis 2021 PSA), Valladolid zu Renault. Standortmuster, Organisation und Vernetzung dieser Unternehmen zeigen typische Merkmale von Global Playern. Stellantis (Marken Peugeot, Citroen, Fiat, Alfa Romeo, Lancia, Maserati, Opel, Chrysler) besitzt Autowerke vor allem in Italien und Frankreich, aber auch in Deutschland, Polen, Serbien, Ungarn und der Türkei.
Die Luft- und Raumfahrtindustrie als Hightech-Branche hat in Frankreich, Italien und Spanien im militärischen und im zivilen Bereich grosse Bedeutung. Das wichtigste Element ist die Zusammenarbeit bei der Airbus-Produktion, mit Standorten u. a. in St.-Nazaire, Toulouse, Bordeaux, Madrid und Cádiz. Die chemische Industrie zeigt wegen der Rohstoffversorgung eine Bevorzugung von Küstenstandorten bzw. Standorten an Pipelines.
Dienstleistungen
Die Konzentration von Unternehmen des Dienstleistungssektors ist an Standorten wie Madrid, Mailand oder Barcelona ein Hinweis auf eine moderne Wirtschaftsstruktur. Hinter den Signaturen für Madrid verbergen sich auch weltweit agierende Unternehmen wie die Santander-Gruppe, die zweitgrösste Bank Europas, und der Telekommunikationsdienstleister Telefónica. In Mailand hat die Hälfte der 200 grössten italienischen Unternehmen ihren Sitz, die Stadt ist das Messe-, Einzelhandels-, Medien- und kulturelle Zentrum Italiens und ein wichtiger Verkehrsknoten. An Standorten wie Madrid und Rom haben staatliche Verwaltungen einen hohen Anteil an den Beschäftigten.
An den Küsten und auf den Inseln dominiert vielerorts der Tourismus als Arbeitgeber. Eine Vielzahl von Badeorten weisen die Adriaküste, die französische Atlantik- und Mittelmeerküste (s. Karte 105.3), die spanischen Festlandküsten, die Balearen (s. Karte 78.2, 79.4) und die Algarve (Portugal) auf. Wichtige Ziele des Besichtigungs- bzw. Städtetourismus sind Florenz, Pisa, Venedig (s. Karte 111.2), Rom (s. Karte 112.1), Pompeji und Taormina (Italien), Barcelona, Sevilla und Córdoba (Spanien) oder Lissabon (Portugal). Hinzu kommen Pilgerziele (Lourdes, Santiago de Compostela) und Kurorte (Ischia, s. Karte 112.2).