Interview mit Felix Finkbeiner
Wie genau haben Sie angefangen, wirklich zu handeln – sprich Bäume zu pflanzen?
Das war 2007 in der vierten Klasse. Meine Klassenlehrerin machte sich damals Sorgen über den extrem milden Winter und bat uns Schülerinnen und Schüler, über das Klima nachzudenken. Ich hielt ein Referat, das ich „Das Ende des Eisbären“ nannte. Bei meinen Recherchen stieß ich auf die kenianische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai, die mithilfe vieler Frauen in Afrika innerhalb von 30 Jahren 30 Millionen Bäume gepflanzt hatte. Damit verhalf sie vielen dieser Frauen nicht nur zu einem ersten eigenen Einkommen. Sie konnten mit den Bäumen auch gleichzeitig der fortschreitenden Bodenerosion in ihrem Land entgegenwirken. Da kam mir die Idee, wir Kinder könnten in jedem Land der Erde eine Million Bäume pflanzen – und damit selbst etwas gegen die Klimakrise unternehmen. Denn, das hatte ich schon verstanden, Bäume filtern das klimaschädliche CO2 aus der Atmosphäre und speichern den Kohlenstoff in ihren Blättern, Stämmen und im Boden. Wenige Wochen später, am 28. März, pflanzten wir den ersten Baum vor unserer Schule in Starnberg. Zwei Journalisten berichteten über uns und viele andere Schulen in ganz Deutschland folgten unserer Idee. Das war der Beginn der Kinder- und Jugendinitiative Plant-for-the-Planet.
Was motiviert Sie, ständig weiter zu machen?
Für die Kinder und Jugendlichen ist die Klimakrise drängender denn je. Es geht um nicht weniger als ihre Zukunft. Der jüngste Sachstandsbericht des Weltklimarates hat gerade nachdringlich deutlich gemacht: Wir haben nicht mehr viel Zeit, um das Ziel des Pariser Klimaabkommens noch zu halten. Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend. Deshalb ist Plant-for-the-Planet auch Unterstützer der UN Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen. Man darf nicht vergessen: Jedes Jahr verlieren wir zehn Milliarden Bäume – eine Fläche ungefähr so groß wie das Vereinigte Königreich. Die menschengemachte Klimaerwärmung zerstört unsere Wälder durch Brände, Stürme, Dürren und Flutkatastrophen. Unser Ziel ist deshalb die schnellstmögliche Wiederherstellung degradierter und verloren gegangener Wälder. Wenn es uns gelingt, bis 2030 eine Billion Bäume zurückzubringen und die bestehenden Wälder zu schützen, könnten diese bis zu einem Drittel aller bisherigen menschengemachten CO2-Emissionen aufnehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir mit dem Knowhow aus unserer eigenen Community die Plant-for-the-Planet-Plattform aufgebaut, die es allen Menschen ermöglicht, unser Ziel ganz einfach zu unterstützen. Renaturierungs-Organisationen können auf Plant-for-the-Planet.org Baumspenden sammeln und gleichzeitig dokumentieren, wo und wie sie ihre Bäume pflanzen. Mit unserer neuesten Weiterentwicklung, der TreeMapper.App, wird man sogar informiert, sobald die selbst gespendeten Bäume gepflanzt wurden. Das schafft Transparenz und Vertrauen und die Nutzung ist für alle kostenlos und datensicher. Unsere Kinder und Jugendlichen haben damit jetzt nicht nur ein ambitioniertes Ziel – sie haben auch ein smartes Tool, um dieses Ziel zu erreichen. Jetzt heißt es nur noch: „Stop talking. Start planting.“
Was raten Sie Schülerinnen und Schülern, wenn sie sich auch für ein ähnliches Projekt engagieren wollen?
Jede Idee ist es wert, ausprobiert zu werden. Als ich mit neun Jahren anfing, hatte ich keine Ahnung, wie sich unsere Initiative einmal entwickeln würde. Aufgrund meines noch jungen Alters war natürlich entscheidend, dass meine Eltern und auch die Schule mich von Anfang an unterstützt haben. Nicht zu vergessen: meine Mitschülerinnen und Mitschüler, die halfen Flyer zu verteilen und natürlich all die Kinder, die wie ich Vorträge hielten und das bis heute auch weiterhin tun – bei unseren kostenlosen Plant-for-the-Planet-Akademien für Kinder, die selbst aktiv werden möchten, aber auch vor Erwachsenen in Unternehmen oder bei Kongressen.
Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, damit wir uns als Gesellschaft noch stärker für den Erhalt der Artenvielfalt und das Pflanzen von Bäumen einsetzen?
Die Corona-Krise hat gezeigt, wie folgenschwer es ist, wenn wir in die Lebensräume wilder Tiere eingreifen. Zoonosen, also von Tier zu Mensch und umgekehrt übertragbare Krankheiten, sind eine Folge dieser verlorenen Distanz und der fortschreitenden Zerstörung von Ökosystemen. Und wir erleben immer dramatischer, wie Waldbrände und extreme Wetterereignisse wie Überflutungen zur Bedrohung für unser Überleben werden. Mit Bäumen und dem Schutz von Wäldern haben wir einen Hebel, der Klimakrise etwas entgegenzusetzen und die Ökosysteme zu bewahren. Wir dürfen dabei allerdings nicht vergessen: Bäume allein können die Klimakrise nicht lösen. Nur, wenn wir gleichzeitig die Treibhausgas-Emissionen reduzieren und Bäume pflanzen, haben wir die Chance, das zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens noch zu halten. Es ist gut, wenn wir im Kleinen auch bei uns selbst anfangen, indem wir zum Beispiel weniger fliegen, weniger Fleisch essen und öfter mal das Fahrrad nehmen. Um die weltweiten Emissionen zu reduzieren und weitere dramatische Folgen zu verhindern, müssen aber alle Bereiche – Bürgerschaft, Medien, Wirtschaft und Politik – Verantwortung übernehmen. Die Klimakrise ist eine globale Krise, die wir nur in einer gemeinsamen Anstrengung bewältigen.